Spurensuche in Währing: Es grünt so grün im Nordwesten von Wien
Nirgendwo haben die Grünen bei der Wien-Wahl so zugelegt wie im 18. Bezirk. Was steckt hinter dem Ergebnis in Währing?
Carmen Baumgartner-Pötz
Wien – Silvia Nossek kommt mit dem Fahrrad zum Johann-Nepomuk-Vogl-Platz. „Servus Chefin!“, ruft ihr der Betreiber des kleinen Lokals am Eck zu. Die alte und neue Bezirksvorsteherin hat nicht umsonst den einstigen Schandfleck des 18. Bezirks als Treffpunkt vorgeschlagen. Früher standen hier das öffentliche Klo und die Müllinsel in der Mitte des Platzes. In den letzten fünf Jahren wurden unter Nosseks Ägide Bäume gepflanzt für die heißen Sommer im am dichtesten verbauten Eck des Bezirks. Nicht jeder in Währing wohnt schließlich in einer Villa im parkähnlichen Cottageviertel.
Neu sind auch der Bauernmarkt, Tischtennisplätze für die Jugend und viele Sitzgelegenheiten, um auch ohne Konsumzwang verweilen zu können. Der Platz steht exemplarisch für die Rückeroberung des öffentlichen Raums für alle – ein Thema, mit dem die Grünen-Politikerin die Wahl vor zwei Wochen gewonnen hat. Aber nicht nur damit.
Dass die Ökopartei in Währing so dermaßen abräumen würde, war auch für Bezirks-Expertinnen eine Überraschung. „Ich dachte eigentlich, es wird wieder knapp“, sagt Petra Hartlieb. Sie ist Buchhändlerin in der Währingerstraße und war im Unterstützungskomitee für Silvia Nossek.
Parks und Grünflächen, gute Schulen
Wie vielfältig die Bewohnerschaft des 18. ist, weiß sie aus ihrem Geschäft – dort kaufen die erzkonservativen Hofratswitwen genauso ein wie linke Studentinnen der Boku (Universität für Bodenkultur), Jungfamilien und Professoren. „Als wir vor 15 Jahren hier aufgesperrt haben, dachten wir, uns stirbt sicher die Kundschaft weg, aber der Bezirk hat sich extrem verjüngt“, erzählt sie. Kein Wunder: Währing verfügt über viele Parks und Grünflächen, gute Schulen, man ist schnell im Wienerwald, aber auch in längstens 20 Minuten mit der Straßenbahn in der Innenstadt. Dabei verfügt der Bezirk über ein höchst unterschiedliches Wählerklientel: Es gibt in Währing dicht verbautes Gebiet und große Gemeindebauten genauso wie herrschaftliche Villenviertel.
Bei der letzten Wien-Wahl 2015 hatten die Grünen mit Silvia Nossek an der Spitze gerade einmal 200 Stimmen Vorsprung auf die ÖVP, die davor seit 1946 (!) den Bezirksvorsteher gestellt hatte. Das Ergebnis vom 11. Oktober, ein sattes Plus von 10,6 Prozent auf Bezirksebene, könne nur als „deutliche Belohnung für fünf Jahre harte Arbeit“ gesehen werden, ist Hartlieb überzeugt: „Es hat sich im Stadtbild sichtbar viel geändert“, verweist die Geschäftsfrau auf die Punkte, die Nossek so wichtig sind und über die konservative Bezirksbewohner gerne spötteln: Bäume pflanzen, Sitzgelegenheiten aufstellen, breitere Gehsteige.
Währing, ein Bezirk im Wandel
- Währing ist der 18. Wiener Gemeindebezirk und befindet sich im Nordwesten der Stadt. Auf 6,35 Quadratkilometern leben 51.500 Menschen – etwas mehr als in Dornbirn.
- Bei der Wien-Wahl am 11. Oktober verzeichneten die Grünen in allen 23 Bezirken Stimmenzuwächse. Den größten erzielten sie in Währing mit 4,74 Prozentpunkten, sie kamen dort auf 22,97 Prozent.
- Auf Bezirksebene konnten die Grünen ihre Vorherrschaft noch stärker ausbauen. Unter Bezirksvorsteherin Silvia Nossek, die 2015 den 18. Bezirk der ÖVP wegschnappte, gelang ein Zugewinn von 10,6 Punkten auf 38,7 Prozent. Die Türkisen landeten trotz leichtem Zugewinn abgeschlagen auf Platz 2 mit 27,5 Prozent. Ihr Wahlziel, Währing zurückzuerobern, hat die ÖVP somit klar verfehlt.
- Die Bezirksvorsteherin hat gemäß Stadtverfassung bei vielem nur Stellungnahmerecht aber keine Entscheidungsgewalt. Auch das Budget lässt nur wenig Spielraum zu.
EU-Bürger auf Bezirksebene wahlberechtigt
Wenn man sich im Bezirk umhört, zollen auch jene Nossek Respekt, die sie nicht gewählt haben, weil sie in den letzten Jahren so präsent war. „Meine Erfahrung aus der ersten Amtszeit ist, dass es die Leute schätzen, wenn einfach angepackt und gemacht wird“, so Nossek über ihren Wahlerfolg.
Es gibt aber auch noch weitere Faktoren, die für das Grüne Ergebnis mitverantwortlich sein dürften: Zum einen können österreichische Staatsbürger ihr Stimmverhalten splitten und auf Bezirksebene anders wählen als auf Landesebene. Wer die ÖVP in der Stadt gestärkt haben wollte, konnte im Bezirk also trotzdem Grün wählen. Und: EU-Bürger sind auf Bezirksebene wahlberechtigt – in Währing immerhin 7000 von 39.000.
Zwar war die Wahlbeteiligung dieser Gruppe gering: Nur jeder Fünfte machte von seinem Wahlrecht Gebrauch. Fast 37 Prozent der EU-Wähler haben ihr Kreuz aber bei den Grünen gemacht. Und damit steht der grüne Wahlerfolg in Währing nicht nur im Zeichen von lokal umgesetzter Klimapolitik, sondern hat auch einen leicht multikulturellen Anstrich.