Ökonomen fordern Fonds für Gesundheitsversorgung

Österreich befindet sich derzeit auf einem neuen Höhepunkt der Covid-19-Pandemie. Das Gesundheitssystem steht unter starkem Druck. Gerade deshalb sollte es jetzt mit einem 4,2 Milliarden Euro schweren „AT4Health“-Fonds zum Wohle aller Österreicher nachhaltig gemacht werden, fordern jetzt die Wiener Gesundheitsökonomen Maria Hofmarcher und Christopher Singhuber in einer neuen Studie. Ziel des Fonds sei es, die Kapazitäten im Gesundheitswesen zu verbessern.

Bereits zu den Gesundheitsgesprächen in Alpbach im Sommer dieses Jahres haben die Fachleute einen solchen Fonds urgiert. Jetzt haben sie die Berechnungen auf der Basis der aktuellen Entwicklung rund um SARS-CoV-2/Covid-19 aktualisiert und erweitert. Maria Hofmarcher gegenüber der APA: „Wir haben in Österreich ein gut ausgebautes und gut ausgestattetes Gesundheitswesen. Das hat geholfen die gesundheitlichen Folgen von Covid-19 zu verringern. Durch die gleichbleibend hohe Beschäftigung im Gesundheitswesen wurde auch der wirtschaftliche Einbruch abgemildert. Das kommt vor allem den vielen arbeitenden Frauen im Gesundheitsbereich zugute. Investitionen in Gesundheit sind ein automatischer Stabilisator.“

Bei anderen Aspekten der Krisenbewältigung sehen die Ökonomen aber Handlungsbedarf. Maria Hofmarcher: „Erstens brauchen vulnerable Gruppen mehr Aufmerksamkeit bei der Krisenbewältigung. Neben der älteren Bevölkerung, die unmittelbar durch das Corona-Virus gefährdet ist, werden vor allem Frauen und sozial Schwache durch die Eindämmungsmaßnahmen der Regierung benachteiligt. Deren Belange werden in bei der Krisenbewältigung zu wenig berücksichtigt. So sind Frauen eher von Arbeitslosigkeit betroffen.“

Das gelte im Grunde genommen für ganz Europa. Die Expertin: „Auch auf EU-Ebene kommen Investitionen zur Krisenbewältigung vor allem Wirtschaftsbereichen mit hoher „Männer-Beschäftigung“ zugute. Österreich könnte mit anderen Schwerpunkten Vorbild in der EU sein. Außerdem infizieren sich Menschen in wirtschaftlich schwachen Gebieten häufiger mit SARS-CoV-2. Quarantänemaßnahmen schränken sie stärker ein.“

) beispielsweise berechnet, dass ein Prozentpunkt mehr Arbeitslosigkeit in Österreich bzw. den betroffenen Regionen bereits zu einer Steigerung der Infektionszahlen um 0,45 Fälle pro 1.000 Einwohner führte. Das sei ein stärkerer Einflussfaktor als der Anteil der Menschen über 75 Jahren an der Bevölkerung. Maria Hofmarcher: „Wir führen das auf den hohen Druck am Arbeitsmarkt und die daraus resultierenden schlechte Arbeitsbedingungen zurück. Stimmt das, könnten die strengen Quarantänemaßnahmen zu einer Abwärtsspirale für ganze Regionen führen.“

Einerseits seien Menschen mit niedrigem Einkommen häufiger von Corona-Arbeitslosigkeit betroffen, andererseits würden sie mehr unter den Quarantänemaßnahmen der Regierung leiden. Die Ökonomin: „Teleworking ist ein Privileg der Reichen.“

Eine wesentliche Hilfe zur kurz-, mittel- und langfristigen Krisenbewältigung mit Stärkung des österreichischen Gesundheitswesen sollte laut den Experten deshalb ein „Corona-Fonds“, zum Beispiel „AT4Health“ genannt, bieten. „Das Ziel dieses Programms sollte es sein, Kapazitäten, Beschaffung und Personal im Gesundheitswesen ordentlich zu dotieren, Ressourcenverfügbarkeit und Testaktivitäten auf SARS-CoV-2- zu koordinieren und in bessere Leistungen für alle zu investieren. Dafür muss zwischen Bund, Länder und Sozialversicherung besser zusammengearbeitet werden, Stichwort: Bundesgesundheitskommission, Zielsteuerung“, erklärte Hofmarcher

Grob geschätzt werde es erforderlich sein, dass dem österreichischen Gesundheitswesen in den nächsten Jahren zusätzliche Mittel in der Höhe von etwa 4,2 Mrd. Euro oder 480 Euro pro Kopf, zugeführt werden. Dieser Betrag umfasse 15,2 Prozent der Mittel des Covid-19-Krisenbewältigungsfonds und 1,1 Prozent der Wirtschaftsleistung. Maria Hofmarcher: „AT4Health macht 10,4 Prozent des gesamten Konjunkturprogramms aus, was weniger ist als der Anteil der öffentlichen Gesundheitsausgaben an den gesamten Staatsausgaben 2018 mit 16,7 Prozent.“

Um Österreich via Dotierung des Gesundheitswesens aus der Krise „herauszuinvestieren“ sollten von den 4,2 Mrd. Euro 650 Millionen für die Harmonisierung der Leistungen der Krankenkassen (z. B. Gesundheitskasse und BVAEB) bereitgestellt werden. Steuerausfälle und Beitragsausfälle sollten mit 500 Millionen bzw. 600 Millionen Euro ausgeglichen werden. Der geschätzte Mehrbedarf für Sicherheits- und Schutzvorkehrungen, die den Bundesländern über Zweckzuschüsse erstattet werden, sei mit etwa 2,5, Mrd. Euro anzusetzen. Maria Hofmarcher: „Damit könnte man das Gesundheitswesen längerfristig verbessern, gleichzeitig mehr für die Bekämpfung von Covid-19 bereitstellen und die Beschäftigung fördern.“

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