Frankreich fürchtet neue Anschläge nach Enthauptung in Nizza

Einen Tag nach der Enthauptung einer Frau und der Tötung zweier weiterer Menschen in einer Kirche in Nizza fürchtet Frankreichs Regierung weitere Anschläge dieser Art. Frankreich befinde sich in einem „Krieg gegen die islamistische Ideologie“, sagte Innenminister Gerald Darmanin am Freitag. Deshalb werde es weitere Vorfälle wie „diese schrecklichen Angriffe“ geben.

Frankreichs oberster Anti-Terror-Ermittler Francois Ricard erklärte, der mutmaßliche Täter vom Donnerstag, ein 1999 geborener Tunesier, sei am 20. September auf der italienischen Insel Lampedusa nach Europa gelangt. Nach italienischen Agenturberichten ging er mit anderen Bootsmigranten an Land und wurde im Oktober ins süditalienische Bari, die Hauptstadt Apuliens, gebracht. Dort soll er abgetaucht sein.

Ricard teilte weiter mit, der mutmaßliche Täter sei am Donnerstag mit dem Zug in Nizza angekommen und habe sich dann zu der Kirche begeben. Dort habe er eine 60-jährige Frau enthauptet und den 55-jährigen Mesner erstochen. Er habe auch auf eine 44-jährige Frau eingestochen, die zunächst noch in ein nahe gelegenes Café flüchten und Alarm schlagen konnte, bevor sie starb. Als die Polizei am Tatort eintraf, habe der Angreifer noch immer „Allahu Akbar“ gerufen. Der Mann war von der Polizei angeschossen und ins Krankenhaus eingeliefert worden. Er befinde sich in einem kritischen Zustand.

Tunesien erklärte, der Mann sei dort nicht als mutmaßlicher Extremist bekannt gewesen. Auch die tunesischen Behörden ermitteln gegen den Tatverdächtigen. Gemäß dem Recht des Landes werde jeder Tunesier strafrechtlich verfolgt, der in Terrorakte verstrickt sei, egal ob im Inland oder Ausland, sagte ein tunesischer Justizsprecher am Donnerstagabend. So solle ermittelt werden, ob der Täter in Tunesien möglicherweise Komplizen hatte.

Der Tatverdächtige kommt dem arabischen Nachrichtensender Al-Arabiya zufolge aus einem Ort nahe der tunesischen Küstenstadt Sfax. Die Mutter sagte dem Sender, ihr Sohn habe sie in dieser Woche angerufen und erzählt, dass er nach Frankreich gereist sei. Von seinen Plänen habe sie nichts gewusst. Der Bruder des mutmaßlichen Angreifers erklärte dem Sender, dieser habe gesagt, er wolle vor der Kirche die Nacht verbringen. Er habe ihm von dort auch ein Foto geschickt.

Der Angriff in Nizza ereignete sich am Geburtstag des Propheten Mohammed und knapp zwei Wochen nach der Enthauptung eines Lehrers. Der 47-jährige Samuel Paty war in einem Pariser Vorort von einem mutmaßlichen Islamisten tschetschenischer Herkunft auf offener Straße getötet worden. Im Unterricht zum Thema Meinungsfreiheit hatte der Lehrer umstrittene Mohammed-Karikaturen gezeigt.

Schon nach der Enthauptung des Lehrers hatte Präsident Emmanuel Macron angekündigt, den „islamistischen Separatismus“ bekämpfen zu wollen, der die Kontrolle in einigen muslimischen Gemeinden in Frankreich zu übernehmen drohe. Am Donnerstag sagte er in Nizza, Frankreich sei für seine Werte und seine Freiheitsliebe angegriffen worden. Er werde seine Position verteidigen und nicht nachgeben, betonte der Präsident.

In mehreren überwiegend muslimischen Ländern kam es zuletzt zu Demonstrationen gegen Macron. In Bangladesch gingen am Freitag Zehntausende auf die Straße. Sie forderten einen Boykott französischer Produkte und trugen Banner, auf denen Macron als „der größte Terrorist der Welt“ bezeichnet wurde. In Europa ist Frankreich das Land mit der größten muslimischen Gemeinde.

„Wir befinden uns in einem Krieg gegen einen Feind, der sowohl innen als auch außen ist“, sagte Innenminister Darmanin. Im Zusammenhang mit der Tat in Nizza wurde Justizkreisen zufolge am Donnerstagabend ein 47-jähriger Mann festgenommen. Er werde verdächtigt, Kontakt zum mutmaßlichen Täter gehabt zu haben. Frankreich hat die höchste Sicherheitsstufe ausgerufen und Macron Tausende Soldaten zum Schutz von Kirchen, anderen Glaubenshäusern und Schulen abkommandiert.

Vor der Kirche in Nizza versammelten sich mehrere Menschen, legten Blumen nieder und zündeten Kerzen an. Der 50-jährige Frederic Lefevre beklagte, dass es erneut in seiner Heimatstadt zu einer Tragödie gekommen sei. In Nizza hatte vor vier Jahren ein Extremist am französischen Nationalfeiertag, dem 14. Juli, einen Lastwagen in eine Menschenmenge gesteuert. Es gab 86 Tote.