Österreich macht wieder dicht

Der November wird heuer in Österreich wohl trostlos wie selten. Angesichts rasant steigender Corona-Infektionszahlen plant die Regierung ab kommender Woche drastische Maßnahmen. Wie diese aussehen, wird am Freitag den Sozialpartnern, am Samstag dann dem Bundespräsidenten, den Landeshauptleuten und der Opposition erzählt, ehe auch die Öffentlichkeit davon erfährt. Im Raum stehen eine Sperre der Gastronomie sowie nächtliche Ausgangsbeschränkungen. Auch Veranstaltungen ruhen.

Details ließ die Regierung auch am Freitag nicht verlauten. Doch Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) versicherten schon einmal, dass an einem neuen Hilfspaket gebastelt wird. Die Disziplin der kommenden Wochen reduziere den langfristigen Schaden für den Standort, glaubt der Grünen-Chef. Blümel versicherte, dass der Erhalt von Arbeitsplätzen und das Überleben von Unternehmen im Vordergrund der Hilfen stehen würden.

Ziemlich sicher besonders betroffen sein werden wieder Tourismus und Gastronomie. So sollen Nächtigungen nicht mehr für touristische Zwecke angeboten werden können und Gastronomiebetriebe dürften nur noch Speisen zum Mitnehmen oder Lieferdienste anbieten dürfen. Die Branche verlangte umgehend, nach deutschem Vorbild 75 Prozent des Einnahmenentfalls zu kompensieren. Dazu will man eine gewisse Vorlaufzeit, seien die Lager - Stichwort: Ganslzeit - doch voll.

Wann es mit den Einschränkungen los geht, war freilich noch unklar. Da einzelne Punkte wie die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen die Zustimmung des Hauptausschuss brauchen, könnte es sein, dass die Maßnahmen erst Mitte der Woche, vermutlich Mittwoch, und nicht schon Montag in Kraft treten. Unbedingt warten muss die Regierung nicht, denn den parlamentarischen Segen kann sich die Koalition auch rückwirkend holen.

Setzen wird man dabei wohl vor allem auf die eigenen Stimmen. Die SPÖ forderte für ihr Ja am Freitag nämlich eine Arbeitsplatz-Garantie. Auch verlangte Parteichefin Pamela Rendi-Wagner rasche Entschädigungen für betroffene Unternehmen. FPÖ-Klubchef Herbert Kickl unterstützt wie erwartet die Regierungsmaßnahmen auf gar keinen Fall. Die FPÖ werde keinen Beitrag dazu leisten, „Österreich noch tiefer in das schwarz-grüne Loch einer grundfalschen Corona-Strategie zu manövrieren“.

Was die von Kickl als „Freiheitsberaubung“ geschilderten Ausgangsbeschränkungen angeht, soll mit diesen dem abendlichen Partywesen ein Ende bereitet werden. Möglicherweise schon ab 20 Uhr darf man dann nur mehr in Ausnahmen auf die Straße, etwa wenn man mit dem Hund hinaus oder zur Arbeit muss oder eine spätabendliche Laufrunde drehen will. Allzu viele sonstige Freizeit-Vergnügen bleiben auch sonst nicht. Wie es aussieht, dürften alle Veranstaltungen untersagt und Fitness- und Yogastudios ebenso wie kosmetische Dienstleister geschlossen werden - und auch dem Amateursport steht eine vierwöchige Pause bevor.

Freude mit all dem haben auch die Sozialpartner nicht, denen am Freitagnachmittag bei einer rund einstündigen Runde ein Verordnungsentwurf vorgelegt wurde. So meinte etwa AK-Präsidentin Renate Anderl: „Ich weiß nicht, ob das wirklich Sinn macht, jetzt alles runterzufahren.“ Gemeinsam mit ÖGB-Chef Wolfgang Katzian deponierte sie aber einige Forderungen, die teils wohl auch erfüllt werden - etwa dass die Schulen offen bleiben, was die Lehrer freilich sofort nach Prämien und zusätzlichen Schutzmaßnahmen rufen ließ.

Auch die telefonische Krankschreibung, die derzeit nur noch bei Corona-Verdacht möglich war, kehrt bis Ende März wieder, nachdem sich am Freitag Dienstgeber- und Arbeitnehmer-Vertreter in der Österreichischen Gesundheitskasse darauf verständigt haben. Anderes wie ein höheres Arbeitslosengeld oder eine Maskenpause wird eher nicht auf Zustimmung der Regierung stoßen.

Gesundheitsminister Rudi Anschober (Grüne) richtete darüber hinaus neuerlich einen Appell an die Bevölkerung: „Verringern Sie bitte ab sofort Ihre Kontakte! Ein Drittel weniger Kontakte halbiert das Infektionsrisiko.“ Und genau das bräuchten wir jetzt dringend angesichts rasch steigender Infektionszahlen.

Ungewöhnlich scharfe Kritik an Anschobers Umgang mit der Coronakrise kam am Freitag von der Ärztekammer (ÖÄK). Es sei völlig unverständlich, warum es für Maßnahmen im Gesundheitsbereich immer noch keine klar nachvollziehbaren bundesweiten Vorgaben gebe, meinte Vizepräsident Harald Mayer in einer Aussendung. All das hätte das Ministerium im Sommer ebenso ausarbeiten müssen wie ein funktionierendes und einheitliches Contact Tracing.

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