Flucht aus der Zwischenwelt: Autor Hamed Abboud im TT-Interview
Hamed Abboud kam als Flüchtling aus Syrien nach Österreich – über weite Strecken zu Fuß. Im Burgenland fand er eine neue Heimat. Als Schriftsteller arbeitet er seine Erlebnisse auf.
Herr Abboud, Sie stammen aus Syrien, haben 2012 Ihr Land auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg verlassen. Nach Stopps in Ägypten und in der Türkei sind Sie 2014 zu Fuß nach Österreich geflüchtet. Wie kann man das schaffen?
Hamed Abboud: Mein Bruder und ich waren drei Monate und zwei Tage von der Türkei nach Österreich unterwegs. Fast immer zu Fuß. Ungarn durchquerten wir mit dem Auto. Wir hatten große Angst davor, dort erwischt zu werden. Als Flüchtling lebt man in einer Zwischenwelt, man gehört zu niemandem, fehlt niemandem, ist nicht registriert. Man schläft im Park, „schwimmt“ irgendwie über die Grenzen hinweg, ohne zu wissen, wo man landet.
Wie erging es Ihnen bei der Ankunft in Österreich?
Abboud: Die ersten sechs Monate waren wir in einem Flüchtlings-Camp in der Nähe von Oberwart im Südburgenland isoliert untergebracht, das war eine schwierige Zeit. Dann kam eine Frau zu uns, um uns zu helfen und unterstützen. Und so fing der Kontakt zur Bevölkerung an. Ich bemühte mich, rasch Deutsch zu lernen. Wenn man sich unterhalten kann, verliert man die Angst vor dem Fremden. Die Bewohner haben meinen Bruder und mich herzlich empfangen, ihre Häuser und Herzen geöffnet. Das Gefühl des Fremdseins wich, das Gefühl von Zugehörigkeit wuchs. Ich fühlte mich wie ein Burgenländer und blieb zwei Jahre dort, ehe ich aus beruflichen Gründen nach Wien übersiedelte.
Das war 2017, als Ihr erster Erzähl-Band „Der Tod backt einen Geburtstagskuchen“ zweisprachig auf Arabisch/Deutsch erschien.
Abboud: Das Buch fand Beachtung, und ich war oft zu Lesungen im deutschsprachigen Raum unterwegs. Gab es keine Lesungen, arbeitete ich in der IT-Branche, ich hatte dieses Fach in Syrien studiert, oder als Barkeeper. Ich hatte viel Glück und vier Frauen, die wie Mütter für mich sind: meine eigene Mutter Noura, die mit meiner Schwester in Frankreich Zuflucht fand, sowie drei Frauen in Österreich und in der Schweiz, Ingrid, Renate und Helga. Was soll da noch schiefgehen?
Sie sind anerkannter Flüchtling mit positivem Asylbescheid. Ist eine Rückkehr nach Syrien überhaupt noch ein Thema?
Abboud: Von meiner Familie lebt nur noch mein Vater in Syrien. Als jemand, der sich kritisch gegenüber der syrischen Regierung geäußert hat, kann ich nicht zurück. Dafür müsste sich die politische Lage grundlegend ändern.
Heimat – was bedeutet dieser Begriff für Sie?
Abboud: Obwohl ich mich auch in Wien wohl fühle, ist das Südburgenland eine zweite Heimat für mich geworden. Nach dem ersten Lockdown im Frühsommer bin ich zu Fuß ins Burgenland gewandert, um meine Freunde wiederzusehen. Heimat ist für mich überall dort, wo meine Freunde sind.
Sie konnten kein Wort Deutsch, als Sie 2014 nach Österreich kamen. Jetzt beherrschen Sie Deutsch schon ausgezeichnet.
Abboud: Danke für das Kompliment, doch als Schriftsteller, dessen Beruf ja der Umgang mit Sprache ist, verlange ich von mir mehr. Es reicht noch nicht.
Ihre Bücher haben Sie auf Arabisch verfasst, sie wurden dann ins Deutsche übersetzt. Folgt bald ein Buch, das Sie selbst auf Deutsch schreiben?
Abboud: Ich habe ein erstes Gedicht auf Deutsch geschrieben, es wurde in der Wiener Straßenzeitung Augustin veröffentlicht. Ich versuche auch, auf Deutsch zu denken. Vielleicht schreibe ich in ein paar Jahren ein Buch auf Deutsch. Vorerst mache ich aber auf Arabisch mit deutscher Übersetzung weiter.
Welche Themen wollen Sie schreiberisch aufgreifen?
Abboud: Ich habe bisher über meine Flucht geschrieben. Das ist abgeschlossen. Als Nächstes möchte ich gesellschaftliche Themen behandeln. Ich will nicht als Flüchtling gesehen werden, sondern als Schriftsteller.
Gibt es deutsche Wörter, die Sie besonders mögen?
Abboud: Zwei meiner Lieblingswörter sind „aber“, das kommt auch in meinem auf Deutsch verfassten Gedicht vor, und „grandios“. Das klingt einfach wunderbar.
Sie haben sich trotz Ihrer Erlebnisse den Humor bewahrt, das erkennt man in Ihren Texten. Hilft Lachen über vieles hinweg?
Abboud: Ich würde es als Mischung aus Humor, Ironie und Sarkasmus bezeichnen. Ich möchte meine Lebensrealität auch humorvoll sehen und meine Freunde zum Lachen bringen.
Sie Sind Moslem. Erleben Sie Anfeindungen nach dem brutalen islamistischen Terror in Frankreich?
Abboud: Ich habe Gott sei Dank keine Anfeindungen erlebt. Ich glaube, die Bevölkerung versteht, dass es sich um Anschläge von Einzelpersonen handelt. Der Islam als friedliche Religion verbietet solche Taten. Gleichzeitig bin ich gegen Beleidigungen, die eine Religion verletzen. Ich verstehe nicht ganz, dass die Freiheit, die wir in Europa genießen, in diese Richtung benutzt wird.
Das Gespräch führte Markus Schramek
Lesung
Eine Lesung mit Hamed Abboud und Franz Hammerbacher, einem UNO-Friedenssoldaten, findet heute Montag um 19 Uhr in der Orangerie (Congress Ibk.) statt. Eintritt frei, Anmeldung: 05223/53808 oder office@osterfestival.at