Hongkongs Parlament kommt ohne Demokraten zusammen

Das Parlament der chinesischen Sonderverwaltungsregion Hongkong ist am Donnerstag ohne Mitglieder der demokratischen Opposition zusammengekommen. Die 19 Sitze des demokratischen Parteienbündnisses blieben leer, nachdem die Regierung vier Abgeordneten am Vortag ihre Mandate entzogen hatte und die übrigen Mitglieder der Fraktion aus Protest ihren Rückzug angekündigt hatten. Die chinesische Regierung reagierte mit einer Drohung.

Mit der Protestaktion stellten die pro-demokratischen Politiker die chinesische Autorität über Hongkong „unverhohlen“ in Frage, hieß es in einer am Donnerstag veröffentlichten Mitteilung des Pekinger Büros für die Beziehungen zu Hongkong und Macau. Die Oppositionspolitiker wollten Hongkong „ins Chaos stürzen“. Die Rücktrittsankündigung der 15 pro-demokratischen Abgeordneten des Hongkonger Stadtparlaments sei Ausdruck derer „sturen Konfrontation gegenüber der Zentralregierung und eine unverhohlene Infragestellung der Macht der Zentralregierung“, hieß es in der Mitteilung.

„Wir müssen diesen Oppositionsabgeordneten sagen: Wenn sie dies nutzen wollen, um einen radikalen Kampf anzutreiben, ausländische Mächte zu einem Eingreifen zu bringen und Hongkong einmal mehr ins Chaos zu stürzen - dann ist das eine Fehlkalkulation“, fügte das Büro hinzu.

Hongkongs pro-chinesische Regierungschefin Carrie Lam versicherte, dass der Legislativrat - wie das Hongkonger Parlament offiziell heißt - auch in Zukunft nicht zu einem „Scheinparlament“ würde. „Carrie Lam schindet Hongkong und lässt die Menschen leiden“, war dagegen auf einem von der Opposition im Parlament angebrachten Banner zu lesen.

Aus Protest gegen den Rauswurf der vier Abgeordneten Alvin Yeung, Kwok Ka-ki, Dennis Kwok und Kenneth Leung hatten die Mitglieder des demokratischen Lagers am Mittwoch geschlossen ihren Rücktritt angekündigt. Damit verbleiben nur zwei Abgeordnete im Parlament, die nicht dem Pro-Peking-Lager angehören.

Grundlage für den Entzug der Mandate war eine Entscheidung des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses in Peking, der entschieden hatte, dass Abgeordneten in Hongkong nun ihr Sitz ohne Gerichtsbeschluss entzogen werden kann, wenn sie gegen das neue Gesetz zum Schutz der nationalen Sicherheit verstoßen.

China hatte das umstrittene Gesetz im Juni verabschiedet. Es richtet sich gegen Aktivitäten, die Peking als subversiv, separatistisch oder terroristisch ansieht.

Großbritannien zitierte den chinesischen Botschafter aus Protest gegen das Vorgehen der Pekinger Regierung in Hongkong in das britische Außenministerium in London. China habe das bilaterale Abkommen zur Autonomie der früheren britischen Kronkolonie verletzt, erklärte das Außenministerium in London am Donnerstag. Das Vorgehen der chinesischen Regierung gegen die Opposition in Hongkong sei „ein klarer Verstoß“ gegen das Abkommen, betonte Außenminister Dominic Raab.

Auch die EU kritisierte den Ausschluss von vier pro-demokratischen Abgeordneten aus dem Hongkonger Parlament scharf. Der Schritt sei „ein weiterer schwerer Schlag gegen den politischen Pluralismus und die Meinungsfreiheit“, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell im Namen der Mitgliedstaaten am Donnerstag. Die EU fordert demnach „die sofortige Rücknahme“ der Entscheidung Chinas und der Hongkonger Regierung und die Wiedereinsetzung der Abgeordneten.

Nach Kritik aus Europa verurteilte auch die US-Regierung den Ausschluss der Oppositionsabgeordneten. Die jüngsten Maßnahmen der Führung in Peking ließen keinen Zweifel daran, dass die Kommunistische Partei Chinas ihre internationalen Verpflichtungen auf schamlose Weise verletzt habe, erklärte der Nationale Sicherheitsberater im Weißen Haus, Robert O‘Brien, am Mittwoch.

Der Grundsatz „Ein Land, zwei Systeme“, nach dem Hongkong seit 1997 regiert wird, sei nur noch ein Feigenblatt, das die Ausweitung der Einparteiendiktatur auf Hongkong kaschiere. Die US-Regierung werde weiterhin alle ihre Befugnisse nutzen, um diejenigen zu sanktionieren, die für die „Auslöschung der Freiheit Hongkongs“ verantwortlich seien, erklärte O‘Brien.

Seit dem 1. Juli 1997 gehört Hongkong wieder zu China, wird aber nach dem Grundsatz „Ein Land, zwei Systeme“ regiert. Diese Vereinbarung sieht eigentlich vor, dass Hongkonger für 50 Jahre bis 2047 „ein hohes Maß an Autonomie“ und viele Freiheiten genießen. Seit der Verabschiedung des Sicherheitsgesetzes reden viele jedoch nur noch von „Ein Land, ein System“.