Harter Lockdown in Ö: Homeschooling, Handel schließt
Der „harte“ Lockdown wird Realität: Die Bundesregierung verkündete Samstagnachmittag, dass der Handel ab Dienstag bis inklusive 6. Dezember mit den schon bekannten Ausnahmen wie Lebensmittelgeschäften und Apotheken schließt. Für den Umsatzverlust gibt es eine Entschädigung. Die Schulen werden komplett auf Fernunterricht umgestellt. Ebenfalls schließen müssen alle persönlichen Dienstleister wie Frisöre und Masseure. Zudem gelten Ausgangsbeschränkungen nun rund um die Uhr.
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) begründete den harten „Lockdown“ in einer Pressekonferenz damit, dass die bisherigen Maßnahmen die Zahl der Infektionen nicht ausreichend reduziert hätten. Nun formulierte er eine „eindringliche Bitte“ an die Bürger: „Treffen Sie niemanden. Verbringen Sie die Freizeit ausschließlich mit den Menschen, mit denen Sie auch im Haushalt leben.“ Laut der Verordnung darf man künftig Kontakte mit „Einzelnen“ halten, ein explizites Verbot, sich mit mehreren Personen zu treffen, gibt es aber nicht.
Umso mehr appellierten Kurz, Vizekanzler Werner Kogler, Gesundheitsminister Rudolf Anschober (beide Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) an die Vernunft der Bevölkerung - bei gleichzeitigem Verständnis über die Schwere der Einschränkungen: „Wenn Sie alleine leben, definieren sie eine Person, mit der Sie während des Lockdowns in persönlichem Kontakt bleiben“, empfahl der Kanzler. Denn nur so könne man den Zusammenbruch der Intensivstationen verhindern und in Folge wieder langsam hochfahren und das Weihnachtsgeschäft und das Weihnachtsfest retten.
Dass auch die Schulen gegen alle Widerstände - selbst innerhalb der eigenen Regierung - de facto geschlossen werden, begründete Kurz damit, dass man mittlerweile gar nicht mehr wisse, wo sich Menschen anstecken. In 77 Prozent der Fälle sei die Infektionsquelle nicht mehr identifizierbar. Der Kanzler versicherte, dass es an Schulen und Kindergärten weiter die Möglichkeit zur Betreuung geben werde. Nach Ende des Lockdowns, der für 7. Dezember angepeilt wird, sollen Schulen und Handel als erstes wieder öffnen.
Ebenfalls schließen müssen alle persönlichen Dienstleister. Das betrifft etwa Friseure, Kosmetikerinnen und Masseure. Der Handel bekommt einen Teil seines Umsatzverlusts durch den „Lockdown“ ersetzt. Allerdings werden nicht so viele Ausfälle wie in der Gastronomie kompensiert, wo man zuletzt 80 Prozent festgelegt hatte. Im Handel werden es je nach Branche zwischen 20 und 60 Prozent sein. Frisöre bekommen 80 Prozent.
Die Ausgangsbeschränkungen, die derzeit nur in der Nacht gelten, werden ab 17. November auf den ganzen Tag ausgedehnt. Innenminister Nehammer versprach, dass die Exekutive bei Zuwiderhandeln vor Strafen zunächst in einen Dialog treten werde.
Gesundheitsminister Anschober betonte, es gelte jetzt die Pandemie einzubremsen. Der Lockdown sei „unsere einzige Chance. Unsere letzte Chance, einen Kollaps in den Spitälern zu verhindern“. Anschober betonte, die zweite Welle sei „gewaltiger, dynamischer, härter als die 1. Welle im Frühling“ - und verwies auf Nachbarländer wie Tschechien, die ebenso betroffen sind.
Die Ordinationen bleiben auch im harten Lockdown uneingeschränkt geöffnet. Das betonte die Ärztekammer und wies zugleich auf die „unbedingte“ Notwendigkeit von Terminvereinbarungen hin. Begleitpersonen sollten nur nach Rücksprache in die Ordination mitkommen. Die neuen Maßnahmenverschärfungen der Regierung werden von der Ärztekammer als „alternativlos“ bezeichnet: „Ohne Gegensteuern würden in allen Bundesländern die Intensivstationen der Spitäler an ihre Kapazitätsgrenzen gelangen“, so Kammerpräsident Thomas Szekeres.
Auch die Wirtschaft zeigte sich verständnisvoll, aber auch zerknirscht. Als erstes rückte Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung (IV), aus und zeigte Verständnis, schließlich habe die Gesundheit der Menschen Priorität, ein Wermutstropfen sei aber die Schließung der Bildungseinrichtungen. Dass es aber ein schulisches Betreuungsangebot gibt, sei ein „guter Kompromiss“. Die Wirtschaftskammer (WKÖ) erklärte, dass die Maßnahmen die Betriebe „mit voller Härte“ trifft. Die Maßnahmen seien aber „aus gesundheitlichen Gründen zu akzeptieren“. Jedenfalls müssten die angekündigten Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder in der Praxis umfassend umgesetzt werden und reibungslos funktionieren“, erklärten WKÖ-Präsident Harald Mahrer und WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf.
Der Hauptausschuss des Nationalrats wird am Sonntagabend zusammentreten, um den neuen verschärften Lockdown abzusegnen. Konkret geht es etwa um die Ausgangsbeschränkungen, die ab Dienstag nicht mehr nur nachts, sondern auch tagsüber gelten sollen. Es reichen dafür die Stimmen der Regierungsfraktionen ÖVP und Grüne. Die Ausgangsregeln und die Bestimmungen für den Veranstaltungsbereich müssen im Hauptausschuss nach zehn Tagen wieder bestätigt werden, daher sollen sie vorerst nur bis 26. November gelten.