Berge aus Futter in Kunststoff: Nachteile von Siloballen
Hunderttausende Siloballen werden pro Jahr auf Tirols Feldern gelagert. Ein Großteil der Folien wird wiederverwertet, Umweltschützer sorgen sich aber nicht nur um den Verpackungsabfall.
Von Matthias Christler
Innsbruck – Das Landschaftsbild hat sich verändert, die Heumandln sind fast überall verschwunden und an ihre Stelle sind vielerorts Kunststoff-Berge getreten. Aus Siloballen. 150.000 davon fallen jedes Jahr in Tirol an. Im Inneren der Kunststofffolien befindet sich die Silage. Das ist gemähtes Gras, das schon im feuchten Zustand eingelagert werden kann und durch Vergärung (wie beim Sauerkraut) haltbar wird. Für die Landwirte hat das Vorteile: Heumandln sind eine Kunst für sich und brauchen Wissen und Zeit, das fällt bei der Silage weg. Man benötigt weniger trockene Tage, ist zeitlich flexibler, das Tierfutter wird gut konserviert und die Ballen lassen sich besser transportieren genauso wie lagern.
„Diese Methode bietet kleinen Betrieben bei der Futtererzeugung eine gute Schlagkraft“, sagt Hermann Gahr, Geschäftsführer vom Maschinenring Tirol. Dass die Kunststoff-Verpackungen in der Landschaft für viele Menschen im Zuge der Diskussion um die Reduktion von Plastik alles andere als zeitgemäß wirken, kann er durchaus nachvollziehen. So hat etwa vor wenigen Wochen eine Leserin der TT einen Spaziergang in Barwies zum Nachdenken angeregt. Sie sah und fotografierte Siloballen, die in fünf Lagen aufgetürmt waren und die Berge am Horizont aus ihrem Blickwinkel überragt haben. Gahr meint dazu: „Die Silage ist eine moderne Technik, die man nicht verwerfen sollte. Aber es stimmt, es geht schon auch darum, dass die Ballen gut gelagert werden und dass es halbwegs ein Bild abgibt. “
Der Verbrauch von Kunststoff soll zudem minimiert werden. Um das zu erreichen, bietet der Maschinenring seit 20 Jahren eine Sammlung von Agrarfolien an. 80 bis 85 Prozent der eingesetzten Folien werden wiederverwertet, es entstehen daraus neue Produkte wie Zaunpfähle, Blumentröge oder sie werden aufbereitet für die Zementindustrie. Kann man sie nicht mehr recyceln, werden sie fachgerecht verbrannt. Gahr spricht bewusst nicht von „Plastik“: „Es wird ein sortenreines Polyethylen verwendet, das leicht entweder stofflich oder thermisch verwertet werden kann.“ Er nimmt die Bauern aber auch in die Pflicht: „Wir als Maschinenring setzen uns dafür ein, dass die Folien nicht über den Hausbrand entsorgt werden. Der Kunststoff darf auch nicht irgendwo am Feld liegen bleiben. Dann nämlich kann es passieren, dass Mikroplastik in den Boden eindringt.“
Doch nicht nur das Landschaftsbild und der Kunststoffverbrauch machen Umweltschützern Sorgen. Experten der Initiative „Blühendes Österreich“ zählen einige Nachteile der Siloballen auf:
1. Mit der Silage-Herstellung werden Wiesen immer früher gemäht, wodurch artenreiche Blumenwiesen verschwinden.
2. Weil die Futterpflanzen feucht eingelagert werden, fallen die Samen statt auf den Boden in den Siloballen. Dadurch fehlt die natürliche Nachsaat.
3. Viele Insekten landen und verenden im Siloballen.
4. Weil bei der Silage-Herstellung Wiesen oft großflächig gemäht werden, finden Tiere wenig Nahrung.
Wolfgang Suske ist Berater für Naturschutz und ländlichen Raum und arbeitet an einer Studie, in der die Silage behandelt wird. Er fasst die Vor- und Nachteile zusammen: „Der Bauer kann wetter-unabhängig mähen, bekommt gutes Futtermittel und kann die Kühe gut über den Winter bringen. Das Drama spielt sich bei der Artenvielfalt ab, weil durch die Mähintensität die Insekten und der Blühreichtum stark leiden.“
Suske will die Silage nicht grundsätzlich verteufeln, mit einigen Maßnahmen könne man die Vorteile nutzen und die Nachteile minimieren. „Der Bauer muss nicht alles auf einmal mähen, einige Bereiche stehen lassen, die Schnitthöhe anpassen, damit etwas Gras stehen bleibt. Es braucht ein Management, aber dann kann man die Silage so verwenden, dass die Biodiversität und der Ertrag nicht leiden.“
Immer mehr Landwirte würden laut Suske trotzdem ganz ohne Silage auskommen. Er verweist auf den „Grünen Bericht“ 2020 vom Ministerium für Landwirtschaft, der angibt, dass in Österreich 10.838 Betriebe mit knapp 116.000 Hektar Anbaufläche auf Silage verzichten und stattdessen Heu aufbereiten, nicht mehr ganz so wie früher mit den Heumandln, aber trotzdem ist es eine Rückkehr zu Altbewährtem. Diesen Trend sieht auch Gahr: „Die Siloballen werden seit Jahren nicht mehr. Dafür kehren einige Bauern zum Heu zurück.“