Lage auf Lesbos

Bischof Glettler: „Österreich soll 100 Familien aufnehmen“

Die Situation in den nicht winterfesten Flüchtlingslagern auf Lesbos spitzt sich dramatisch zu.
© Glettler

Bischof Glettler und die Initiative „Courage – Mut zur Mitmenschlichkeit“ prangern die Lage auf Lesbos an.

Wien, Innsbruck, Athen – Die Situation in den griechischen Flüchtlingslagern spitzt sich durch Kälte und Nässe dramatisch zu. In der Bundesregierung weigert sich die ÖVP weiter hartnäckig, Kinder aufzunehmen. Zwei Wochen vor Weihnachten haben nun Kirche und Zivilgesellschaft den Druck für eine humanitäre Lösung erhöht.

Die Initiative „Courage – Mut zur Mitmenschlichkeit“ erinnerte mit einer symbolischen Herbergssuche vor dem Wiener Stephansdom an das Schicksal der Flüchtlinge von Lesbos. Dompfarrer Toni Faber bezeichnete eine Aufnahme darbender Flüchtlinge als „Gebot der Stunde“. Mensch sein bedeute, in Not geratene Brüder und Schwestern „als Menschen zu behandeln“, mahnte Faber. Er und der Innsbrucker Diözesanbischof Hermann Glettler unterstützten die Initiative, die nach eigenen Angaben bereits Quartiere für mehr als 3000 Flüchtlinge in Österreich hätte, „von ganzem Herzen“, sagte Faber. Glettler und „Courage“-Initiatorin Katharina Stemberger haben sich vor wenigen Tagen auf Lesbos selbst ein Bild von der Lage gemacht. Die Flüchtlinge führten dort „ein menschenunwürdiges Dasein“ und müssten auf dem Boden schlafen, während Österreich die Möglichkeiten habe, Lebensraum für sie zu schaffen, berichtete Faber.

„Die Situation ist bitterernst. Wollen wir warten, bis es Erfrorene gibt?“
Hermann Glettler /Innsbrucker Diözesanbischof)

Schauspielerin und „Courage“-Initiatorin Katharina Stemberger bekräftigte, dass es beim Thema Lesbos nicht um Migrationspolitik gehe, sondern darum, „das Leid dieser Leute dort zu beenden“.

Viele der auf Lesbos lebenden Flüchtlinge seien bereits anerkannt oder kämen aus Ländern mit guter Aussicht auf Asylstatus. Sie müssen jedoch auf der griechischen Insel in Unterkünften hausen, die nicht winterfest sind.

„Die Situation ist bitterernst. Eigentlich müsste das Lager (Kara Tepe II, errichtet nach dem Brand in Moria, Anm.) auf der Stelle evakuiert werden“, sagt Bischof Glettler gegenüber der TT. „Es fehlt an Heizstrahlern für die Zelte und an Duschen. Wollen wir warten, bis es Erfrorene gibt?“ Die von Österreichs Bundesregierung immer wieder ins Feld geführte „Hilfe vor Ort“ nennt Glettler zwar „notwendig“, quasi als „Erstversorgung, die es in jedem Katastrophenfall braucht“. Sie reiche jedoch nicht aus. „Ich kann unsere Regierung nur wiederholt ganz deutlich bitten, jetzt vor Weihnachten aus dem Lager direkt Familien mit Kindern aufzunehmen.“

Er formuliere diese Forderung in dem Wissen, dass Österreich heuer bereits rund 4000 schutzsuchenden Menschen Asyl gewährt hat. „Aber ein humanitärer Katastrophenfall wie jetzt auf Lesbos verlangt eine andere Strategie – und nicht den Verweis auf das, was wir ja ohnehin schon tun. Österreich soll noch vor Weihnachten 100 Familien aufnehmen“, plädiert der Bischof, der glaubt, dass sich dafür genügend gastgebende Menschen oder Einrichtungen finden ließen. „Auch die Kirche würde sich sofort beteiligen.“ (bfk, misp)