Vom Obernbergtal zur Rötenspitze oder nach nebenan
Im Antlitz von Obernberger, Gschnitzer und Pflerscher Tribulaun führt der TT-Tourentipp diesmal auf die 2481 Meter hohe Rötenspitze. Gleich daneben, „Am Hohen Kreuz“, steht ein neues Gipfelkreuz.
Obernberg – Das Obernbergtal, ein Seitental des Wipptales, südwestlich von Gries am Brenner aus erreichbar, liegt idyllisch gelegen auf einer Seehöhe von 1393 Metern. Nicht zu verwechseln mit dem Oberbergtal im Stubaital. Im etwa neun Kilometer langen Tal, wo die Landschaft einen fast schon poetischen Charakter annimmt, steht mit der St. Nikolaus-Kirche wohl eines der meistfotografierten Fotomotive Tirols, geziert von einem mächtigen Bergmassiv, dem Obernberger Tribulaun.
Knapp mehr als 400 Einwohner zählt die Gemeinde nicht. Und trotzdem, Obernberg ist weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Im Sommer bieten sich eine große Anzahl lohnenswerter Wanderungen an, im Winter ist Obernberg ein Paradies für Skitourengeher. Für den TT-Tourentipp waren wir Anfang der Woche im Obernbergtal unterwegs – es ging auf die Rötenspitze (2481 Meter). Eine mittelschwierige Tour über rund 1000 Höhenmeter und östlich des weit häufiger besuchten Muttenkopfes gelegen.
📽️ Video | Skitour auf die Rötenspitze
So kommt man hin: Los geht’s beim kostenpflichtigen Parkplatz Gasthaus Waldesruh am Ende des Obernbergtales. Hier gibt es genügend Parkmöglichkeiten. Entlang des Forstweges und durch den Wald geht es zunächst bergauf – heute ist Bergrettungsmann Helmuth Leiter aus Gries mit dabei. Gemütlichen Schrittes und in leichter Steigung führt der Weg Richtung Norden hinauf bis zur Kastenalm, in diversen Bergkarten auch als Kastnerbergalm zu finden. Spätestens ab hier dürfen sich Frühaufsteher über die wärmende Sonne freuen.
Von der Kastenalm, die bei Sonnenschein und diesem Panorama absolut zum Verweilen einlädt, führt unser Anstieg weiter, bis wir kurz oberhalb der Alm auf einen Schilderbaum mit Wegweisern treffen. Links geht’s hinauf zum Muttenkopf, rechts zur Rötenspitze. Während heute alle anderen Tourengeher in Richtung Muttenkopf abzweigen, folgen wir der Spur rechts hinauf in Richtung Lichtsee, Rötenspitze, Trunajoch. Es wird steiler. Spitzkehren zu beherrschen ist kein Fehler. Über schmuckes, mal steileres und wieder flacheres Almgelände und mit Blick zum tief verschneiten Lichtsee führt uns die Tour oberhalb der Baumgrenze in Richtung Rötenspitze, westlich des Trunajoches vorbei.
Das Gipfelkreuz ist schon zu sehen. Doch der Schein trügt. Unser Ziel ist bei Weitem noch nicht erreicht. Ungefähr auf Seehöhe des Trunajoches, aber weiter westlich davon, wartet der Gipfelhang. Entlang eines Zaunes geht’s in Spitzkehren hinauf. Hier ist die Schneelage oft bescheidener, also etwas abgeblasen, zumal diese Gebirgskette eigentlich immer dem Wind ausgesetzt ist. Selten wird man die Rötenspitze bei windstillen Bedingungen erleben. Das weiß auch unsere Tourenbegleitung: „Von 365 Tagen bläst mindestens 300 Tage der Wind“, schmunzelt Helmuth. Und der Einheimische kennt sich aus.
Die Rötenspitze ist erreicht. Und wie sollte es anders sein – auch heute bläst der Wind. Eine Gipfeljause ist somit nicht zwingend einladend. Der Ausblick lässt den Wind aber schnell vergessen. Im Norden zeigt sich stolz die Gebirgskette mit dem unverkennbaren Habicht oder der Kirchdachspitze, nach Osten präsentieren sich unverkennbar Olperer, Fußstein oder Schrammacher. Aber fast noch schöner und imposanter sind die Tribulaune vor uns – der Obernberger, Gschnitzer und Pflerscher.
Zwischen Muttenkopf und Rötenspitze verbirgt sich aber noch ein Gipfel. „Am hohen Kreuz“ ist sein Name. Kein Mode-Skitourenberg im Gegensatz zu den beiden anderen. Bei sicheren Bedingungen – und wirklich nur bei absolut sicheren Bedingungen! – ist es möglich, von der Rötenspitze über den Grat in westlicher Richtung und in Querung einiger steiler Südhänge zu diesem Kreuz zu gelangen. Übrigens, erst seit Ende November ziert ein neues Gipfelkreuz den Gipfel des „Am hohen Kreuz“. Ein richtiger Koloss mit 6,5 Metern Höhe, 3,8 Metern Breite und einem Gewicht von über 900 Kilo. Errichtet und gebaut wurde es von Bernhard Riml aus Obernberg, mit Hilfe eines Hubschraubers dann nach oben geflogen. „Das alte Kreuz war wesentlich kleiner und doch schon etwas in die Jahre gekommen“, erzählt der Zimmerer aus Obernberg. „Warum nicht ein neues, dachte ich mir. Und wenn schon ein Kreuz, dann ein richtig großes“, so der 30-Jährige.
Den Plan vom Besuch des neuen Gipfelkreuzes mussten auch wir auf ein anders Mal verschieben. Aufgeschoben ist allerdings nicht aufgehoben. Also blieb es bei der Rötenspitze und es ging zurück. Vom Gipfel die ersten Höhenmeter in westlicher Richtung bergab und weiter über weitläufiges Almengelände bis zur Kastenalm. Von dort über den Forstweg hinunter zum Ausgangspunkt unserer Tour. Zu unserer großen Freude fanden sogar wir zu Beginn der Woche noch Pulverschnee und durften ein paar lässige Schwünge ziehen. Ob der Süd-Exposition der Aufstiegsroute und der wärmeren Temperaturen darf man bis zum nächsten Neuschnee aber nicht zu hundert Prozent eine Pulverabfahrt erwarten. So ehrlich muss man sein.
Dafür aber entschädigt das Panorama am Gipfel der Rötenspitze tausendprozentig. Und auf der Sonnenseite ist man zudem unterwegs. (flex)