Golfstaaten unterzeichnen Abkommen zur Aussöhnung

Spitzenvertreter aus Katar, Saudi-Arabien und den weiteren Nachbarn am Golf haben ihren mehr als drei Jahre langen Konflikt mit einem Abkommen offiziell beendet. Beim Gipfeltreffen des Golf-Kooperationsrats (GCC) in der Wüstenstadt Al-Ula im Nordwesten Saudi-Arabiens sprachen die Teilnehmer am Dienstag von einer neuen Phase der Zusammenarbeit - auch mit Blick auf die Bedrohung durch den Iran in der Region.

Der katarische Emir Tamim bin Hamad al-Thani und Kronprinz Mohammed bin Salman, faktischer Herrscher Saudi-Arabiens, umarmten sich in Al-Ula bei ihrer ersten Begegnung seit Jahren. „Wir müssen unsere Anstrengungen dringend vereinen, um den Rat zu entwickeln und den Herausforderungen um uns zu begegnen“, sagte Kronprinz Mohammed, der die Ratssitzung leitete, später in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache. „Darunter sind insbesondere Bedrohungen durch das Atomprogramm und das Programm für ballistische Raketen des iranischen Regimes.“ Der Kronprinz sprach auch von den „staatsfeindlichen, zerstörerischen Projekten“ Teherans und dessen Verbündeten.

Saudi-Arabiens Außenminister Prinz Faisal bin Farhan kündigte in Al-Ula die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zu Katar an. Die an dem mehr als dreijährigen Konflikt beteiligten Länder hätten „alle Streitpunkte“ beigelegt und eine „vollständige Rückkehr zu diplomatischen Beziehungen“ vereinbart, sagte er am Dienstag.

Der iranische Außenminister Mohammed Javad Zarif gratulierte Katar unterdessen zur Beilegung der Differenzen mit den arabischen Golfstaaten. „Herzlichen Glückwunsch an Katar zum Erfolg seines mutigen Widerstands gegen Druck und Erpressung“, schrieb Zarif am Dienstagabend auf Twitter. Gleichzeitig appellierte er an die anderen Golfstaaten, insbesondere den regionalen Rivalen Saudi-Arabien, ihre Differenzen mit dem Iran zu beenden und Beziehungen wieder zu normalisieren.

Laut Zarif sollten sie „mit dem baldigen Abgang ihres Gönners“ - US-Präsidenten Donald Trump - den Iran weder als Feind noch Bedrohung ansehen und Teheran auch nicht länger zum Sündenbock der regionalen Krisen machen. Vielmehr sei es an der Zeit, so der iranische Chefdiplomat, den Vorschlag Irans für eine „Koalition der Hoffnung“ - die über eine regionale Zusammenarbeit für Sicherheit am Persischen Golf sorgen soll - anzunehmen.

Saudi-Arabien, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) hatten am 5. Juni 2017 die Grenzen zu dem auf einer Halbinsel liegenden Land Katar geschlossen und eine Blockade verhängt. Ägypten schloss sich an. Die Staaten hatten Katar unter anderem Terrorunterstützung und zu enge Beziehungen zum schiitischen Iran vorgeworfen. Das Emirat hatte die Vorwürfe zurückgewiesen. Es war eine der schwersten Krisen des GCC seit dessen Gründung im Jahr 1981.

Auch Spitzenvertreter der weiteren vier Mitglieder des GCC - Bahrain, Oman, Kuwait und die VAE - unterzeichneten das Abkommen. An dem Treffen nahmen auch Ägyptens Außenminister Samih Shukri sowie Jared Kushner teil, Berater und Schwiegersohn von Trump. Die USA und Kuwait hatten in dem Streit vermittelt. Shukri kündigte eine Öffnung des Luftraums für Katar an. Der grenzüberschreitende Verkehr von Katar zu Luft, Land und Wasser nach Saudi-Arabien wurde schon am Montag wieder freigegeben.

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Das schwerreiche Emirat Katar hatte Berichten zufolge zuvor mehr als 100 Millionen Dollar pro Jahr an den Iran für Überflugsrechte bezahlt. Qatar Airways-Maschinen mussten bei Flügen nach Norden und Westen lange Umwege um Saudi-Arabien fliegen, was zu Problemen für Reisende und beim Warenimport geführt hatte. Wegen Engpässen hatte Katar auch Lebensmittel aus dem Iran und der Türkei importiert. 2022 lädt Katar zur Fußball-WM und hofft dabei auf Millionen Besucher aus aller Welt.

Der bevorstehende Regierungswechsel in den USA ist Experten zufolge ein entscheidender Faktor bei der Aussöhnung. Saudi-Arabien und dessen Verbündete fürchten, dass die USA sich unter dem gewählten Präsidenten Joe Biden aus der Region zurückziehen werden - ähnlich wie unter Barack Obama. Die GCC-Staaten sind für ihre Sicherheit deshalb mehr auf sich und Partner in der Region angewiesen, meint Dania Thafer, Direktorin des Gulf International Forum in Washington.

Die Regierung des scheidenden US-Präsidenten Trump hatte in vergangenen Wochen den Druck auf Riad und Doha erhöht, berichtete das Nachrichtenportal Axios. Die Aussöhnung sei eine Geste an Trump, der mit Saudi-Arabien ein gutes Verhältnis pflegte und der die Einigung als außenpolitischen Erfolg verbuchen kann. Saudi-Arabiens König Salman wolle das Team um Biden vor dessen Amtsantritt am 20. Jänner zugleich „beschwichtigen“, schreibt Golf-Experte Juan Cole von der Universität Michigan. Biden hat eine härtere Linie und auch ein Ende der Waffenverkäufe an Riad in Aussicht gestellt.

Das US-Militär hat in der Region zahlreiche Stützpunkte. Einer der größten und wichtigsten US-Luftwaffenstützpunkte weltweit liegt in Katar, wo rund 10.000 Soldaten stationiert sind. Insgesamt 25.000 US-Soldaten sind nach Angaben der konservativen Heritage Foundation in Kuwait, Bahrain und den Emiraten stationiert.

Beendet sein dürfte die Krise am Golf mit dem Abkommen nicht. Riad und Abu Dhabi war und ist ein Dorn im Auge, dass Katar islamistische Organisationen wie die Muslimbrüder unterstützt. Der von Katar finanzierte Nachrichtenkanal Al-Jazeera, der Islamisten Kritikern zufolge zu viel Raum bietet, wird seine Arbeit fortsetzen. Die Blockadestaaten hatten zuvor unter anderem gefordert, dass Doha den Kanal schließt und die Beziehungen mit Teheran reduziert.

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