Trump-Anhänger stürmten Kapitol in Washington
Die Proteste aufgebrachter Anhänger des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump in der Hauptstadt Washington sind am Mittwoch ausgeartet und haben für Chaos und Gewalt im politischen Zentrum der USA gesorgt. Unterstützer Trumps marschierten vor dem Kapitol auf, um gegen die Zertifizierung der Präsidentschaftswahlergebnisse zu protestieren. Dabei drangen sie ins Innere des Gebäudes ein. Eine Frau wurde im Zuge der Unruhen angeschossen und starb wenig später.
Eine Polizeisprecherin bestätigte der Deutschen Presse-Agentur den Tod der Frau. Die genauen Hintergründe waren am Mittwoch (Ortszeit) noch unklar. Zuvor war von Medien berichtet worden, der Frau sei auf dem Gelände des Kapitols in den Brustkorb geschossen worden.
Auf Bildern des Senders CNN war zu sehen, wie Demonstranten Fensterscheiben zerschlugen und sich so Zugang zum Gebäude verschafften. Auf einem anderen Bild posierte ein Demonstrant im geräumten Senatssaal mit erhobener Faust auf dem Platz des Kammervorsitzenden. Ein weiterer Eindringling legte die Füße auf den Schreibtisch der demokratischen Repräsentantenhaus-Vorsitzender Nancy Pelosi und hinterließ einen Zettel mit der Botschaft „Wir werden nicht nachgeben“ (We won‘t back down).
Die am Kapitol eingesetzten Polizisten haben mittlerweile die Demonstranten vom Gebäude in der US-Hauptstadt weggetrieben. Nach Behördenangaben war das Gebäude wieder gesichert. Das berichtete die Nachrichtenagentur AP am Mittwoch unter Berufung auf zuständige Beamte.
In der Nähe des Parlamentsgebäudes sei zudem ein Sprengkörper gefunden worden. Der Gegenstand sei allerdings nicht mehr gefährlich, berichtete die AP am Mittwoch unter Verweis auf Behörden in der US-Hauptstadt Washington. Um was für einen Sprengsatz es sich genau handelte, blieb zunächst unklar. Die „New York Times“ berichtete davon, dass auch bei der Parteizentrale der Republikaner eine Rohrbombe gefunden worden sei. Sie wurde demnach von Experten der Polizei zerstört. Die nahe gelegene Parteizentrale der Demokraten sei evakuiert worden, nachdem ein verdächtiges Paket entdeckt worden sei.
Mittlerweile ist in Washington eine Ausgangssperre in Kraft getreten. Die von Bürgermeisterin Muriel Bowser angeordnete Maßnahme gilt bis Donnerstag früh um 6.00 Uhr (Ortszeit). Laut dem Weißem Haus und den Gouverneuren von Virginia und Maryland sollte deren Nationalgarde zum Einsatz kommen.
Der Kongress kam am Mittwochabend (Ortszeit) wieder im Kapitol zusammen. Zunächst nahm der Senat seine Beratungen zur Zertifizierung des Präsidentschaftswahlergebnisses wieder auf. Auch das Repräsentantenhaus wollte noch am Abend wieder zusammentreten. Der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, sagte, die Kammer lasse sich nicht einschüchtern und werde sich nicht der Gesetzlosigkeit beugen. McConnell betonte, man werde die Arbeit, die man begonnen habe, nun zu Ende bringen. „Wir werden den Sieger der Präsidentenwahl 2020 zertifizieren.“
Im Kapitol hatten sich das Repräsentantenhaus und der Senat am Mittwochmittag (Ortszeit) versammelt, um die Ergebnisse der Präsidentenwahl vom November offiziell zu bestätigen. Tausende Trump-Anhänger strömten in die US-Hauptstadt, um gegen die Zertifizierung des Wahlausgangs zu protestieren. Trump hatte die Präsidentschaftswahl mit deutlichem Abstand gegen seinen demokratischen Herausforderer Joe Biden verloren. Er weigert sich aber, seine Niederlage einzugestehen. Trump behauptet, er sei durch massiven Betrug um den Sieg gebracht worden. Weder er noch seine Anwälte legten stichhaltige Beweise dafür vor. Dutzende Klagen des Trump-Lagers wurden bisher von Gerichten abgeschmettert, auch vom Obersten US-Gericht.
Kurz vor dem Start der Kongresssitzung war Trump nahe dem Kapitol vor seinen Anhängern aufgetreten, hatte seine haltlosen Wahlbetrugsbehauptungen wiederholt und seine Unterstützer dazu aufgerufen, zum Kapitol zu ziehen. Sie dürften sich den „Diebstahl“ der Wahl nicht gefallen zu lassen.
„In dieser Stunde wird unsere Demokratie angegriffen“, reagierte der gewählte Präsident Biden in einer Fernsehansprache auf die Ereignisse. Er forderte Trump auf, vor die Kameras zu treten, seine Anhänger zurückzurufen und die Belagerung des Kapitols zu beenden. Der reagierte mit einer auf Twitter verbreiteten Video-Ansprache, in der er allerdings erneut seine unbelegte Behauptung wiederholte, die Wahl sei gestohlen worden. Dann äußerte er Verständnis für seine Anhänger: „Ich weiß wie ihr euch fühlt.“ Dennoch sei es jetzt wichtig, friedlich zu bleiben und nach Hause zu gehen.
Deutlicher wurde US-Vizepräsident Mike Pence. Trumps Stellvertreter schrieb auf Twitter: „Friedlicher Protest ist das Recht jedes Amerikaners, aber dieser Angriff auf unser Kapitol wird nicht toleriert werden und jene, die daran beteiligt sind, werden mit der ganzen Härte des Gesetzes zur Verantwortung gezogen.“ Pence hatte die Kongresssitzung vor der Unterbrechung geleitet. Trump hatte ihn direkt dazu aufgerufen, sich gegen die Zertifizierung des Wahlergebnisses zu stellen - entgegen der gesetzlichen Vorgaben. Pence wies dieses Ansinnen jedoch zurück, was ihm wütenden Protest seines Chefs einbrachte.
Der frühere US-Präsident Barack Obama hat die eskalierten Proteste am US-Kapitol als „Moment großer Ehrlosigkeit“ und „Schande für unsere Nation“ verurteilt. Er machte Donald Trump dafür verantwortlich, dem er Anstiftung zur Gewalt vorwarf. Ein amtierender Präsident, der grundlos Lügen über das Ergebnis einer rechtmäßigen Wahl verbreite, habe die Gewalt angezettelt, erklärte Obama ohne Trump direkt beim Namen zu nennen.
Twitter sperrte indessen das wichtigste Konto von Donald Trump wegen Verstößen gegen die Richtlinien der Plattform für zwölf Stunden. Drei Tweets des Accounts @realDonaldTrump hätten „wiederholt und schwerwiegend“ gegen die Richtlinien verstoßen und müssten gelöscht werden, erklärte Twitter. Sollte die Löschung nicht erfolgen, würde das Konto gesperrt bleiben, hieß es weiter.
Facebook löschte ein Video Trumps, in dem er sich an seine demonstrierenden Anhänger in Washington wendet. „Es handelt sich um einen Notfall, und wir ergreifen angemessene Notfallmaßnahmen“, erklärte Facebook-Vizechef Guy Rosen. Trump verstärke mit seiner Videobotschaft das „Risiko der andauernden Gewalt, anstatt es zu verringern“, begründete Rosen die Entscheidung. Auch die Onlineplattform YouTube löschte das Video, wie das Fachportal „The Verge“ berichtete. Facebook kündigte zudem an, das Nutzerkonto von Trump für 24 Stunden zu sperren.