NADA-Boss Cepic nach Denifl-Urteil: „Es fehlt das Unrechtsbewusstsein“
Michael Cepic, Geschäftsführer der Nationalen Anti-Doping-Agentur, verteidigt das erstinstanzliche Urteil im Fall von Ex-Radprofi Stefan Denifl. Der Wiener hält den Strafrahmen bei Dopingvergehen für angemessen.
Das Urteil im Fall des Tiroler Ex-Radprofis Stefan Denifl, der Doping gestand und dennoch in erster Instanz zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt wurde, sorgte am Dienstag für Aufsehen.
Michael Cepic: Auf den ersten Blick und im Vergleich zu manchen Urteilen bei Gewaltverbrechen kann das Urteil als sehr hart angesehen werden. Man hat sich in Österreich dazu entschieden, das per Gesetz streng zu handhaben. Ich habe nichts gegen Herrn Denifl, man muss die Emotionen raushalten. Aber man muss ganz klar festhalten: Es wurde gedopt. Es gab sportrechtlich die Standardsperre, dann kommt als Folge der strafrechtliche Betrug hinzu, denn mit dem entsprechenden Wissen hätte er keinen Teamvertrag und in weiterer Folge kein Geld bekommen. Der Strafrahmen geht bis zu zehn Jahren, so gesehen liegt man mit diesem Urteil im absolut unteren Bereich.
Denifl sieht sich jedoch doppelt bestraft. Noch dazu in einem Sport, wo die Beteiligten wüssten, dass Doping dazugehöre.
Cepic: Beim Interview von Stefan Denifl fehlt jedes Unrechtsbewusstsein. In keinem anderen Gesellschaftsbereich würde man sagen: Er hat ja nur das gemacht – nein, er hat laut Anklage mehr als 500.000 Euro verdient. So gesehen geht das Urteil für mich in Ordnung, auch in der Höhe.
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Nun könnte man einwerfen: Andere kamen bei Dopingvergehen glimpflich davon.
Cepic: Ich hätte mir bei dem einen oder anderen Fall, der in Innsbruck verhandelt wurde, schon strengere Konsequenzen erwartet. Der Fall Walter Mayer ist mir unerklärlich: Wie das jemand zum wiederholten Male machen konnte und nur eine bedingte Strafe ausfasst. Die Entscheidung des unabhängigen Gerichts ist natürlich zu akzeptieren, aber für mich nicht nachvollziehbar.
Stefan Denifl sieht sich als Opfer.
Cepic: Mit seinen Aussagen kann ich nichts anfangen. Die Pseudoentschuldigung „Alle anderen machen es auch“ ist für mich nicht akzeptabel. Ich weiß bei jedem Rechtsbruch, worauf ich mich einlasse. Selbst wenn ich es nicht weiß, ist das keine Entschuldigung – im Sport nicht und auch in keinem anderem Gesellschaftsbereich.
Dennoch ändert sich das Leben von einem Tag auf den anderen.
Cepic: Er wusste, dass er ein Gesetz brach, er entschied sich aus freien Stücken. Natürlich gibt’s bei vorsätzlichem Doping, vor allem bei der Schadenssumme, harte Konsequenzen, aber das hätte er sich vorher überlegen müssen.
Es gab keine Geschädigten – aber es kommt dennoch zu einem Betrug. Können Sie das nachvollziehen?
Cepic: Sportbetrug ist ein strafrechtliches Delikt, auch wenn sich ein Geschädigter nicht beschwert. Da muss der Staat handeln.
Die Teams, bei denen Denifl einen Vertrag hatte, meldeten keine Schadenersatzansprüche an.
Cepic: Nachvollziehen kann ich das schon, ich sehe das aus Sicht der Sponsoren: Erst steht man mit Doping in den Zeitungen, eine Negativwerbung. Dann bist du endlich aus den Medien draußen. Und dann sollst wieder in die Medien, weil du klagst? Der Rennstall hat ja auch andere Sponsoren, die wollen nicht wieder negative Publicity.
Andererseits kann ich mich dann aber nicht hinstellen und sagen: Ich mache alles für den sauberen Sport, da muss dann schon auch Geld zurückgefordert werden, schon alleine wegen der Signalwirkung. Außerdem werden die Sponsoren vermutlich auch keine Freude haben, wenn so mit ihrem Geld umgegangen wird.
Sind wir in Österreich wirklich so streng, wie es gemeinhin den Anschein erweckt?
Cepic: Der Code ist überall der gleiche, die Umsetzung erfolgt je nach Land über Gesetze oder wie in Deutschland auf zivilrechtlicher Ebene. Aber nicht nur die Länder, Staaten, auch die internationalen Fachverbände wie die FIS verpflichten sich. Insofern gibt es schon eine weltweite Vereinheitlichung. Wo es gravierende Unterschiede gibt, ist bei den strafrechtlichen Folgen, da sind wir mit einigen wenigen Ländern eindeutig Vorreiter.
Worin bestehen die wesentlichen Änderungen des neuen österreichischen Anti-Doping-Bundesgesetzes?
Cepic: Eine betrifft den Schutz des Whistleblowers, der zur Aufklärung beiträgt. Eine weitere betrifft die Prävention, den International Standard of Education. Die Aufklärungsarbeit ist keine schwammige Empfehlung, sie ist wie der Standard fürs Testen verpflichtend und muss somit zwingend umgesetzt werden. Zu allen internationalen Großveranstaltungen müssen die Sportler und Trainer nachweisen, dass sie Antidoping-Schulungen absolviert haben. Die Ausbildner müssen von der NADA oder dem internationalen Verband zertifiziert und dementsprechend ausgebildet sein.
Änderte sich etwas an der Verbotsliste, stehen mittlerweile neue Medikamente auf dem Index?
Cepic: Gesellschaftsdrogen wie THC (Marihuana), Kokain etc. scheinen in einem neuen Zusammenhang auf: Wenn der Sportler bei einer Wettkampfkontrolle nachweisen kann, dass kein leistungssteigernder Effekt vorhanden war, tritt nicht mehr wie früher eine Regelsperre von zwei oder vier Jahren in Kraft. Dann kann das Schiedsgericht eine Sperre mit drei Monaten festsetzen, wenn ein Therapieprogramm absolviert wird, steht sogar eine Reduktion bis auf einen Monat im Raum.
Wie darf man sich das vorstellen?
Cepic: Wir hatten das mehrfach im Basketball, da will man ja aggressiv, spritzig, agil sein. Wer dann in dieser Sportart Marihuana raucht, erreicht eher das Gegenteil. Wenn der Sportler das belegen kann, dass er es nicht zur Leistungssteigerung konsumiert, dann gibt’s die reduzierte Sperre.
Kommt das nicht einer Legitimierung von Gesellschaftsdrogen gleich?
Cepic: Die Verbotsliste der WADA sollte keine gesellschaftspolitischen Lösungsansätze beinhalten. Es stellt sich die Frage: leistungssteigernd oder nicht? Es soll keine gesellschaftspolitische Wunschvorstellung damit verbunden sein. Das ist nicht Aufgabe der WADA, Nikotin oder Alkohol stehen beispielsweise auch nicht auf der Verbotsliste.
Das Gespräch führte Florian Madl