Dreieinhalb Jahre Haft für Putin-Gegner Nawalny gefordert

Der russische Strafvollzug hat gegen den Regierungskritiker Alexej Nawalny eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren gefordert. Der 44-Jährige habe gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren verstoßen und insgesamt sieben Mal die Meldepflicht bei den russischen Behörden verletzt, hieß es vor Gericht. Nawalny wies dies zurück: „Ich war in Deutschland in Behandlung!“

Zudem forderte der Strafvollzug eine Geldstrafe von 500.000 Rubel (5.400 Euro), wie russische Agenturen aus dem Gerichtssaal am Dienstag meldeten. Der Strafvollzug hatte bereits zuvor erklärt, dass er die Bewährungsstrafe gegen Nawalny aus dem umstrittenen Verfahren von 2014 in echte Haft umwandeln lassen wolle.

Das Vorgehen steht als politisch motiviert in der Kritik. Der Staatsmacht rüstete sich gegen Proteste von Nawalnys Unterstützern. Es gab mehr als 230 Festnahmen, wie das unabhängige Portal ovdinfo.org (OWD-Info) berichtete. Auch viele Journalisten kamen in Gewahrsam.

Die Verhandlung am Moskauer Stadtgericht lief unter einem beispiellosen Polizeiaufgebot ab. Das Moskauer Stadtgericht wurde von Hundertschaften der auf Anti-Terror-Einsätze spezialisierten Sonderpolizei OMON bewacht und weiträumig abgesperrt mit Metallgittern, wie eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur vor Ort berichtete.

Vor dem Gerichtsgebäude parkten jedoch zahlreiche Fahrzeuge von Diplomaten, was das russische Präsidialamt zu einer Stellungnahme veranlasste. Ausländische Diplomaten dürften in keiner Weise Druck auf das Gericht ausüben, erklärte der Kreml. Russland hoffe vor allem, dass die Europäische Union die bilateralen Beziehungen nicht abhängig mache vom Fall Nawalny. Dies wäre töricht. Russland werde Belehrungen nicht hinnehmen, erklärte das Präsidialamt mit Verweis auf den anstehenden Besuch des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell in Moskau ab Donnerstag. Auf Kritik werde man jederzeit reagieren.

Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Marija Sacharowa, teilte am Vormittag auf Facebook mit. Etwa 20 Vertreter westlicher Botschaften würden die Gerichtsverhandlung am Dienstag beobachten. Sie nannte konkret sechs NATO-Staaten sowie Österreich als vertretene Länder mit Namen. „Dies ist nicht nur eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates. Das ist eine Selbstentlarvung der hässlichen und gesetzwidrigen Rolle des kollektiven Westens, der eine Containment-Politik gegenüber Russland zu betreiben versucht. Oder handelt es sich hier um den Versuch, psychologischen Druck auf die Richterin auszuüben?“, schrieb Sacharowa.

Präsident Putin lehnt jeden Dialog mit Nawalny und dessen Anhängern ab. Am Sonntag hatten wieder zahlreiche Menschen in Moskau und Dutzenden anderen Städten im ganzen Land die Freilassung des Regierungskritikers gefordert. Nach Schätzungen von OWD-Info wurden dabei über 5.300 Demonstranten festgenommen.

Nawalny überlebte im August nur knapp einen Mordanschlag mit dem von der Sowjetunion entwickelten, international geächteten chemischen Kampfstoff Nowitschok. Der 44-Jährige macht für das Attentat Präsident Wladimir Putin und Agenten des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB verantwortlich. Nawalny sieht den Prozess als Strafe des Kreml dafür, dass er nicht gestorben ist. Putin und der FSB hatten die Vorwürfe des Anschlags zurückgewiesen.

In seiner Zeit in Deutschland, als er sich von dem Attentat erholte, soll Nawalny sich nicht - wie in dem früheren Verfahren vorgeschrieben - bei den russischen Behörden gemeldet haben. Der Strafvollzug warf ihm nun vor Gericht vor, in Deutschland Sport getrieben und sich frei bewegt zu haben, ohne seinen Meldepflichten in Moskau nachzukommen. Nawalny war bei seiner Rückkehr nach Moskau am 17. Jänner sofort festgenommen und einen Tag später zu 30 Tagen Haft verurteilt worden. Das Vorgehen der russischen Justiz hatte international Entsetzen ausgelöst.

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