Kinogroßprojekt „Schächten“ wird derzeit in Wien gedreht

Auch wenn die Coronaeinschränkungen das Kulturleben in Österreich derzeit massiv beeinträchtigen, wird doch weiterhin für eine Zeit nach der Pandemie gedreht - darunter das neue Filmprojekt „Schächten“ von Regisseur Thomas Roth. Der Filmemacher hat für seine Geschichte eines Nachkommens von Holocaustopfern, der sich an den Peinigern seiner Eltern rächt, ein Starensemble um Paulus Manker, Miriam Fussenegger, Christian Berkel, Georg Friedrich und Julia Stemberger versammelt.

Derzeit wird das Projekt in Wien gedreht. Aus diesem Anlass beantwortete der in Graz geborene Filmemacher Roth, der wie gewohnt auch für das Drehbuch von „Schächten“ verantwortlich zeichnet, der APA die Frage, ob Österreich aus seiner Vergangenheit zu wenig gelernt hat, wie stark die Coronaprävention einen Dreh beeinflusst und jene über die Freiheit des Kinos als die Freiheit der Kunst.

APA: Noch ist über „Schächten“ klarerweise nicht viel bekannt. Würden Sie Ihr Projekt selbst eher im Drama verorten oder im Kriminalgenre?

Thomas Roth: „Schächten“ ist ein Drama, das im Österreich der 60er-Jahre angesiedelt ist und sich - knapp gesagt - mit den Themen Recht, Gerechtigkeit und Rache auseinandersetzt. Mehr als bisher zum Inhalt schon bekannt ist, möchte ich derzeit nicht sagen.

APA: Sie haben einen hoch renommierten Cast bestellt, darunter Christian Berkel als Simon Wiesenthal. Wie faktenbasiert ist die Geschichte?

Roth: Ich freue mich sehr über die wirklich hochklassige Besetzung unseres Films. „Schächten“ ist inspiriert von wahren Begebenheiten, aus denen ich eine fiktive Geschichte gemacht habe. Vor einigen Jahren hat mich ein junger, jüdischer Filmproduzent aus München angesprochen, dessen Familie aus Wien stammt und der mich fragte, ob ich Interesse hätte, einen Stoff zu entwickeln, der sich im weitesten Sinn mit dem Leben der Juden in Wien nach dem 2. Weltkrieg befasst. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt tatsächlich schon intensiv für so ein Projekt Recherchen gemacht und mich auch mit Simon Wiesenthal beschäftigt. Schließlich habe ich dann über einen Zeitraum von fünf Jahren hinweg dieses Drehbuch geschrieben.

APA: Sie sprechen in einem Statement davon, dass die dunkle Vergangenheit Österreichs heute „aktueller denn je“ mit der Gegenwart verbunden sei. Könnten Sie das ausführen?

Roth: Ich glaube, dass das zwar kein ausschließlich österreichisches Spezifikum ist, aber ich finde es besonders schlimm, dass dieses Land aus seiner Vergangenheit viel zu wenig gelernt und diese dunkle Zeit noch immer nicht nachhaltig genug aufgearbeitet hat. In meinem Film geht es um Antisemitismus, um Rassismus, um die Ausgrenzung von Minderheiten. Um die politische Abhängigkeit der Justiz und der Medien und die Frage, wie man sich dem allen entgegenstellen kann oder soll. Das sind lauter Themen, die heute leider genauso relevant sind wie vor 60 Jahren. Und das so gut wie überall auf der Welt.

APA: Sie haben auch für „Schächten“ wieder selbst das Drehbuch verfasst. Wie ganzheitlich denken Sie Ihre Projekte respektive wäre es für Sie überhaupt denkbar, ein fremdes Drehbuch zu verfilmen?

Roth: Ich habe im Fernsehbereich schon oft Drehbücher von anderen Autoren verfilmt. Meistens oder fast immer habe ich aber eine Regiefassung des Buches erstellt und die Stoffe dabei häufig doch ziemlich umgeschrieben. So gesehen, denke ich wohl sehr ganzheitlich. Film ist ja ein Gesamtkunstwerk. Schreiben ist eine wunderbare Reise, die viel Mut erfordert. Als Regisseur muss man sich aber über den Autor hinweg setzen und seinen eigenen Weg durch eine Geschichte finden. Beides machen zu dürfen, ist ein großes Glücksgefühl und ein existenzielles Stück künstlerischer Freiheit.

APA: Sie stemmen gerade eine der ersten Großproduktionen unter den neuen Corona-Drehbedingungen. Wie ist die Arbeit für Sie? Wie beeinträchtigend ist das Ganze für Sie und Ihr Team?

Roth: Dazu muss man sagen, dass der Aufwand, den wir betreiben, um uns vor Corona zu schützen, erheblich ist. Wir machen zwei Mal wöchentlich PCR-Tests für das gesamte Team. Das Set ist in verschiedene Zonen unterteilt, die sich so gut wie nicht berühren sollen, FFP2-Masken müssen verpflichtend getragen werden, wir haben Hygienebeauftragte am Set, jeden Tag wird allen Teammitgliedern bei der Ankunft am Motiv die Temperatur gemessen, Essen gibt es nur verpackt oder mit Abstandsregelung an einer Ausgabestelle, an allen Ecken und Enden stehen Desinfektionsmittel bereit, etc. Ein ungeheurer logistischer und auch finanzieller Aufwand. Natürlich ist das alles sehr erschwerend für unsere Arbeit, aber es gibt uns die Möglichkeit zu drehen und einen kleinen Teil dazu beizutragen, dass die österreichische Filmwirtschaft überlebt. Dafür ist es also so gut wie kein Preis, besonders wenn man in andere Bereiche des Kulturbetriebs blickt.

APA: „Schächten“ ist dezidiert als Kinoprojekt gedacht. War das für Sie von Beginn des Projektes an klar, dass dies kein Fernsehstoff ist? Und schließen Sie aus, dass man für „Schächten“ angesichts der momentanen Lage andere Vertriebswege finden muss als das Kino?

Roth: „Schächten“ war von Anfang an als Kinofilm konzipiert. Es ist ein radikaler Stoff, drastisch und weit entfernt von Konventionen. Die Freiheit des Kinos ist die Freiheit der Kunst, in der man nicht den Vorgaben und Parametern eines Senders oder Sendeplatzes oder Streamingdienstes unterliegt. Unsere Branche ist im Umbruch, neue Vertriebswege eröffnen uns neue Möglichkeiten und das ist großartig. Was aber für welchen Film letztlich richtig ist, kann man - meiner Meinung nach - nur individuell entscheiden. Auch unzählige Streamingproduktionen verschwinden innerhalb weniger Tage, letztlich völlig unbeachtet, in den finsteren Weiten des digitalen Universums.

APA: Wie sehen Sie allgemein die Zukunft des österreichischen Films und der Kinobranche angesichts der momentanen Lage und der entsprechenden Folgewirkungen?

Roth: Ich bin mit dem Kino aufgewachsen. Meine Eltern sind ins Kino gegangen, ich bin mit meinen Eltern ins Kino gegangen. Ich bin mit meinen Freunden und natürlich mit meinen Freundinnen ins Kino gegangen. Trotz aller Coronakatastrophen und dem anhaltenden Wachstum von Streamingdiensten glaube ich, dass es das Kino als Eventlocation der Jugend einerseits und als Ort der Kunst - wie etwa das Theater oder die Oper - der älteren Generation andererseits, immer geben wird. Davon bin ich fest überzeugt. Mit einer Portion Glück und Unterstützung, kann man sich durch die weltweite Vernetzung aber inzwischen auch von Österreich aus einfacher und schneller auf einem internationalen Markt bewegen. Und das ist eine sehr positive Perspektive. Gerade auch für Kinofilme.

(Die Fragen stellte Martin Fichter-Wöß/APA)

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