Weiter Warten auf Entscheidung über Tirol
Die Entscheidung, ob auf Tirol wegen der „Südafrika-Mutante“ noch verschärfte Maßnahmen zukommen oder doch nicht, stand auch am späten Sonntagabend noch aus. Nach wie vor liefen offenbar Gespräche zwischen Gesundheitsministerium und Land bzw. zwischen Minister Rudolf Anschober (Grüne) und LH Günther Platter (ÖVP). Ob es am Sonntag überhaupt noch ein Ergebnis geben wird, war somit unklar. Auch die Interpretation von Mutations-Zahlen dürfte die beiden Seiten trennen.
Zuletzt war sogar eine Isolation bzw. Quarantäne oder eine Lockdown-Verlängerung für Tirol im Raum gestanden. Seitens Anschobers hatte es geheißen, dass bis Sonntagabend „Bilanz“ gezogen und dann eine Entscheidung bekanntgegeben wird. Das Bundeskanzleramt verwies hinsichtlich der weiteren Vorgangsweise gegenüber der APA am Sonntag lediglich auf das Gesundheitsministerium. Dort war bis zum Abend auch nichts zu erfahren.
Wie das Land auf APA-Anfrage mitteilte, lagen mit Stand Sonntagabend weiter nur acht aktiv-positive Fälle der „Südafrika-Mutante“ vor. Die Gesamtzahl der zum Großteil im Nachhinein festgestellten Südafrika-Mutationen in Tirol lag bei insgesamt 165 bestätigten. Diese Zahlen wurden auch bereits am Samstag kommuniziert. Bei 230 weiteren Fällen liege ein Mutationsverdacht vor - davon seien 118 Fälle bereits teilsequenziert. Der Verdacht wird laut Land gemäß den von der AGES vorgegebenen Standards weiter abgeklärt. Bei den restlichen 112 Fällen liege der Verdacht aus einer PCR-Testung vor, wurde ein Bericht der „ZIB 2 am Sonntag“ des ORF bestätigt. Dieser Verdacht ergebe sich aus einer Vorsequenzierung, so das Land. Bei den 118 teilsequenzierten Fälle sei die Sequenzierung jedoch bereits etwas detaillierter erfolgt.
Indes wuchs der politische Druck aus Tirol am Wochenende - und vor allem am Sonntag - stetig an. Die schwarzen Präsidenten von Arbeiter-, Landwirtschafts- und Wirtschaftskammer sowie alle Tiroler ÖVP-Nationalratsabgeordneten machten mobil, sprachen sich gegen Verschärfungen aus und forderten dieselben „bedachtsamen Öffnungsschritte“ für Tirol analog zum Bund. „Die Zahlen geben weder eine Verlängerung noch eine Abschottung Tirols her. Es kann doch nicht sein, dass man die Tiroler bestraft, weil wir hier schneller und vorsichtiger als andere agiert haben. Wir waren die ersten, die zu sequenzieren begonnen haben und nun darf uns daraus kein Strick gedreht werden“, erklärte Landwirtschaftskammerpräsident Abg. Josef Hechenberger.
„Die Menschen im Lande haben über Monate alle Maßnahmen geduldig über sich ergehen lassen - jetzt ist aber wirklich genug“, meinte AK-Chef Erwin Zangerl in Richtung Türkis-Grün in Wien. Und Wirtschaftskammerpräsident Christoph Walser, der bereits am Samstag Gesundheitsminister Anschober scharf attackiert hatte, ließ wissen, eine Abschottung wäre ein „Schlag unter die Gürtellinie“ und würde das Vertrauen in die Entscheidungsträger zerstören. „Wir dürfen und werden uns das nicht gefallen lassen“, so Walser, schließlich liege man bei allen Zahlen unter dem Bundesschnitt.
In der ZIB 2 legte Walser nach. „Wir sperren morgen auf“, meinte er. Tirol wolle einfach nur gleich behandelt werden wie alle anderen Bundesländer. Hinsichtlich der Corona-Zahlen warf er dem Gesundheitsministerium ein falsches Spiel vor: Er glaube, dass „massiv falsch informiert“ bzw. mit falschen Daten gearbeitet werde, so Walser und wies auf die lediglich acht aktiv positiven Fälle hin.
Und schließlich stimmten am Sonntag auch die Tiroler ÖVP-Nationalräte Kira Grünberg, Alexandra Tanda, Rebecca Kirchbaumer, Franz Hörl und Hermann Gahr in den Chor ein und ließen die Parteifreunde und den Koalitionspartner im Bund wissen: „Wir stehen zu unserem Land und lehnen überschießende und sachlich nicht begründbare Schikanen ab. Die Betrachtung darf nicht nur aus virologischer Sicht passieren, sondern muss gesamtgesellschaftlich erfolgen. Diese Position werden wir auch in Wien in aller Klarheit vertreten.“
Zuvor hatte ein Bericht der „Kronen Zeitung“ für schweren Unmut über den Bund bei Tirols Regierungsspitze gesorgt. Darin war von einer geplanten „Teil-Abschottung“ des Bundeslandes die Rede. Die „Krone“ berichtete von „unbestätigten Informationen“, wonach Reisen in ein anderes Bundesland nur noch in Ausnahmefällen möglich sein werden, etwa zur Arbeit oder im Krankheitsfall. Das Aufsuchen des Zweitwohnsitzes oder der Ferienwohnung werde wohl nicht als Grund anerkannt, das solle auch für EU-Bürger gelten. Skifahren solle ebenfalls nur mehr im eigenen Bundesland erlaubt sein.
Die Pläne seien dem Bericht zufolge dem Vernehmen nach bereits zwischen Landeshauptmann Platter und dem Gesundheitsministerium abgestimmt. Doch davon wusste man in Tirol überhaupt nichts. „Solche Pläne sind dem Büro des Landeshauptmannes weder bekannt noch sind sie abgestimmt“, hieß es gegenüber der APA. Zudem betonte Platters Büro, dass Tirol auch am Sonntag erneut eine „deutlich rückläufige Corona-Infektionszahl“ aufweise.
Und tatsächlich sank die Zahl der Corona-Infizierten in Tirol ungeachtet der Lage rund um die „Südafrika-Mutante“ erneut. Mit Stand Sonntagmittag waren 1.170 Personen infiziert - um 26 weniger als am Tag zuvor. Innerhalb der vergangenen 24 Stunden kamen 88 Neuinfektionen hinzu, gleichzeitig waren aber 114 weitere Menschen vom Virus genesen. Indes verstarb keine weitere Person mit oder an einer Covid-19-Erkrankung.
Die Verschärfungs-Debatte ins Rollen gebracht hatte die Innsbrucker Virologin Dorothee von Laer, die sich für eine Isolation sowie einen verlängerten Lockdown ausgesprochen hatte. Landeshauptmann Platter erteilte solchen Maßnahmen jedoch eine Absage, man setze stattdessen auf die mit dem Bund abgestimmten Maßnahmen wie etwa flächendeckende Tests und intensiviertes Contact-Tracing.