Anschlag in Wien: Kommissionsbericht ortet „erhebliche Mängel“ im Terror-Kampf
Kommissionsbericht zum Terroranschlag in Wien liegt vor: Informationsfluss innerhalb des Verfassungs-schutzes funktionierte nicht. Die Empfehlung lautet: „Die Reform des BVT ist zügig abzuschließen.“
Wien – Die Untersuchungskommission zu den Vorgängen im Vorfeld des Terroranschlags am 2. November in der Wiener Innenstadt fördert einige Schwachstellen in den involvierten Behörden zutage. Gestern hat das Gremium unter Leitung der Strafrechtlerin Ingeborg Zerbes ihren Abschlussbericht vorgelegt.
Der Fall habe „durchaus funktionierende Elemente, aber auch erhebliche Mängel der Bekämpfung terroristischer Straftaten aufgezeigt“, lautet das Fazit des Berichts. Und weiter: „Die Mängel bestehen allerdings nicht in fehlenden gerichtlichen oder polizeilichen Befugnissen, sondern liegen im unzureichenden Informationsaustausch zwischen allen beteiligten Stellen und in Organisationsproblemen und der Behördenkultur des Sicherheitsapparats.“
„Mangelhafte Verwertung von Informationen"
In dem Bericht werden vor allem Probleme im Verfassungsschutz aufgezeigt – bekannt war einiges davon bereits vom Zwischenbericht, der kurz vor Weihnachten vorgelegt wurde. Konkret heißt es nun: „Die Defizite lagen nicht an einem Mangel an Informationen, sondern an der mangelhaften Verwertung dieser Informationen. So war bekannt, dass der spätere Attentäter radikale Moscheen besucht hatte; es war bekannt, dass er in die Slowakei gefahren war; er wurde auch beobachtet, als er sich mit anderen Extremisten traf.“
Das heißt, die einzelnen Behörden hatten jeweils einen Teil der Informationen – aber ausgetauscht wurde dieses Wissen untereinander nicht, sodass es kein Gesamtbild über die Gefährdungslage gab. Konkret funktionierte hier die Kommunikation zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und den Landesämtern (LVT) – in diesem Fall der Wiener Behörde – nicht.
Auch habe der Kommunikationsfluss des BVT in Richtung Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit „nicht vollständig nachvollzogen werden“ können, geht aus der Untersuchung hervor: „Das, was der Kommission darüber preisgegeben wurde, erscheint verbesserungswürdig, wobei hier die jeweiligen Behördenleiter in besonderer Verantwortung stehen.“ Zudem hätte etwa die Information, dass der Islamist F. in der Slowakei Munition für sein Sturmgewehr kaufen wollte, den Umgang der Bewährungshelfer sowie der Mitarbeiter des Deradikalisierungsprogramms Derad mit dem späteren Attentäter wohl verändert, steht in dem Bericht.
Transparente Neustrukturierung ohne weitere Verzögerungen
Die Kommission empfiehlt daher: „Die stets angekündigte Neustrukturierung des BVT sollte nun ohne weitere Verzögerungen und transparent durchgeführt werden.“ Und: „Die Zuständigkeitsverteilung zwischen dem BVT und den LVT sollte überdacht und klarer gestaltet werden.“ Nötig sei zudem „dringend ein effizientes Analyse- und Informationsverarbeitungssystem“ – eine gemeinsame Datenbank. Vor der Entlassung eines einschlägig verurteilten Täters und eventuell auch während der Probezeit sollten „Fallkonferenzen“ einberufen werden. Dort sollen Vertreter aller involvierten Institutionen „das vom Verurteilten ausgehende Risiko möglichst realistisch gemeinsam einschätzen“. Schließlich sei die Arbeitsatmosphäre in und zwischen den polizeilichen Dienststellen nachhaltig zu verbessern und gegenseitiges Misstrauen abzubauen.
Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sieht sich durch den Kommissionsbericht in seinen Reformbemühungen für das BVT bestärkt. Am wichtigsten bei der Neuaufstellung sei die Trennung des nachrichtendienstlichen vom staatspolizeilichen Teil, sagt er. Zudem werde in den kommenden fünf Jahren der Personalstand verdoppelt. Alle legistischen Vorhaben dafür sollten noch im ersten Quartal dieses Jahres fertig werden.
Für Grünen-Vizekanzler Werner Kogler, der Justizministerin Alma Zadić derzeit vertritt, ist eine „Neuaufstellung des BVT an Haupt und Gliedern“ nötig. (sas)