Prozess um Vorgänge in Pflegeheim in NÖ vor Abschluss
In St. Pölten ist am Mittwochvormittag der Prozess um Vorgänge im Pflegeheim Kirchstetten (Bezirk St. Pölten) ins Finale gegangen. Während die Staatsanwältin in ihrem Schlussvortrag eine anklagekonforme Verurteilung der vier Beschuldigten forderte, setzte sich der Verteidiger des Quartetts in seinem Plädoyer für Freisprüche ein. Das Schöffengericht zog sich kurz nach 10.30 Uhr zu den Beratungen zurück.
Vier Personen im Alter von 30 bis 56 Jahren - ein Mann und drei Frauen - müssen sich seit Mitte September 2020 vor Gericht verantworten. Sie sollen in der Einrichtung im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Pfleger bzw. Pflegehelfer mehrere alte Menschen geschlagen und beschimpft haben, die hilflosen Betroffenen gequält und Bewohner zu heiß geduscht haben. Da die Opfer nicht mehr mitteilungsfähig waren, stützt sich die Anklage im Wesentlichen auf Anzeigen zweier anderer Mitarbeiterinnen des Heims und auf Protokolle einer dienstlichen WhatsApp-Gruppe.
Angelastet wird dem Quartett das Quälen oder Vernachlässigen sowie der sexuelle Missbrauch wehrloser oder psychisch beeinträchtigter Personen. Vorgeworfen wird den Angeklagten zudem Körperverletzung, in Bezug auf den 30-Jährigen steht auch noch Urkundenfälschung im Raum. Der Fall war im Oktober 2016 angezeigt worden. Die Beschuldigten waren nicht geständig. Im Fall einer Verurteilung drohen bis zu zehn Jahre Haft.
Die Vorwürfe seien in den vergangenen Wochen intensiv durchgekaut worden, hielt die Staatsanwältin am Mittwoch fest. Die Tatsache, dass sich die Opfer nicht mehr äußern können, dürfe nun „nicht zum Vorteil der Angeklagten“ ausgelegt werden, appellierte sie an das Schöffengericht.
Besonders zu beachten sei der wiederhergestellte Verlauf der WhatsApp-Gruppe. Tonfall und die besprochenen Themen seien „an Menschenunwürdigkeit und Respektlosigkeit nicht zu überbieten“. Es sei denkunmöglich, dass jemand, der tagtäglich solche Dinge schreibt, bei der Pflege „einfühlsam mit den Menschen umgeht“. Wäre alles eine Intrige gegen die Angeklagten gewesen, hätten sich zahlreiche Kollegen, Reinigungskräfte und Verwandte der Betroffenen zusammenschließen müssen. An ein solches umfassendes Konstrukt glaubte die Vertreterin der Anklagebehörde nicht.
„Es steht nirgends geschrieben, dass den Angeklagten weniger zu glauben ist als den Zeugen“, führte Stefan Gloß, der Anwalt der vier Beschuldigten, ins Treffen. Er vermisste unter anderem klare Zeitangaben zu den vorgeworfenen Delikten, außerdem seien die Opfer hinsichtlich der Verletzungen „nie untersucht“ worden.
Darüber hinaus könne man den Chat-Verlauf vergessen: „Alles, was da drinnen steht, ist nicht geschehen.“ Das Geschriebene sei vielmehr eine Art Seelenreinigung gewesen, gab der Jurist einmal mehr zu bedenken. Es habe eine „arbeitsbezogene Überforderung“ bestanden. Handfestes hätten sich seine Mandanten jedenfalls nicht zuschulden kommen lassen.
Ins selbe Horn stieß auch der 30-jährige Angeklagte: „Es gibt keinen einzigen Beweis für irgendwas.“ Die 53 Jahre alte Beschuldigte sprach von „furchtbaren Vorwürfen“, die Leben und Familien zerstören würden. Die Anschuldigungen der Ex-Kolleginnen „haben unsere Seelen kaputt gemacht“, sagte die 34-jährige Viertangeklagte abschließend.