Draghi vor letzter Hürde in italienischer Abgeordnetenkammer
In der italienischen Abgeordnetenkammer hat am Donnerstag die Diskussion über die neue Regierung von Premier Mario Draghi begonnen. Nach der Debatte steht am Abend die Vertrauensabstimmung für Draghis Kabinett auf dem Programm. Beobachter gehen davon aus, dass der frühere Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) auch in der Parlamentskammer mit einer großen Mehrheit rechnen kann. Am Mittwochabend hatte Draghi bereits die Vertrauensabstimmung im Senat bewältigt.
Am vergangenen Samstag hatte Staatschef Sergio Mattarella den gebürtigen Römer und sein Kabinett aus Berufspolitikern und parteilosen Experten vereidigt. Die italienische Verfassung schreibt vor, dass sich die Regierung binnen zehn Tagen Vertrauensabstimmungen in beiden Kammern des Parlaments stellen muss.
Am Mittwoch hatte Draghi im Senat sein Regierungsprogramm vorgestellt. „Einheit ist Pflicht“, sagte der 73-jährige Ökonom und rief die Parteien auf, ihn zu unterstützen. Die überwältigende Mehrheit der Senatoren tat das dann auch. Bei der Vertrauensabstimmung am späten Abend stimmten 262 der 304 abstimmenden Senatoren für die Regierung, 40 Senatoren dagegen.
Für interne Querelen sorgte das Vertrauensvotum in der größten Regierungspartei, die Fünf Sterne-Bewegung. 15 Senatoren der populistischen Bewegung stimmten gegen die Regierung Draghi. Acht Fünf-Sterne-Senatoren beteiligten sich nicht an der Abstimmung. Die Front der „Rebellen“ führen die Ex-Ministerin für Süditalien, Barbara Lezzi, sowie der Präsident der Anti-Mafia-Kommission im Parlament, Nicola Morra, an. Obwohl die Fünf-Sterne-Bewegung mit 92 Senatoren die stärkste Kraft bleibt, ist ihre Zahl gegenüber dem Beginn der Legislaturperiode 2018 stark geschrumpft. Wegen Parteiaustritten und ausgewiesenen Parlamentariern hat die Bewegung bereits 15 Senatoren verloren.
Die Cinque Stelle hatten zwar bei einer Online-Konsultation Grünes Licht der Parteiaktivisten für die Regierungsbeteiligung erhalten, diese Festlegung sorgte aber für Streit. Als Debakel für die Parteiführung gilt, dass als Ressortchef des neu eingerichteten „Superministeriums für den ökologischen Wandel“ mit ausgedehnten Kompetenzen im Energiebereich der parteilose Fachmann Roberto Cingolani bestimmt wurde. Dies wird als schwere Niederlage für die ökologisch ausgerichtete Bewegung interpretiert, die das neue Ministerium vorgeschlagen und mit Nachdruck gefordert hatte.
Vielen Mitgliedern der als Anti-Establishment-Bewegung gegründeten Partei fällt die Unterstützung einer Regierung unter dem früheren EZB-Präsidenten nicht leicht. Der Fünf-Sterne-Hardliner Alessandro Di Battista kündigte am vergangenen Freitag aus Protest gegen die Regierung Draghi seinen Austritt aus der Partei an. Mehrere Parteikollegen teilen seine Ansicht. Für Kritik sorgen in der Bewegung auch die drei Minister aus den Reihen der konservativen Forza Italia von Silvio Berlusconi.
Auch in der Abgeordnetenkammer am Donnerstag könnte es Abtrünnige in den Reihen der Fünf-Sterne-Bewegung geben. In dieser verworrenen Situation muss die Bewegung eine bereits beschlossene Reform ihrer Führungsstruktur in die Wege leiten. Statt von einem Parteichef wird die Gruppierung künftig von einem fünfköpfigen Gremium geführt. Derzeit wird die stärkste Einzelkraft im italienischen Parlament von Interimschef Vito Crimi geleitet, der den vor einem Jahr zurückgetretenen Parteivorsitzenden Luigi Di Maio ersetzt hatte. Di Maio wurde im neuen Kabinett als Außenminister bestätigt.