Innenpolitik

ÖVP vs. Justiz: Kurz schreibt Brief an die Korruptionsstaatsanwälte

Ungewöhnlicher Schritt eines Kanzlers. Im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen seinen Parteikollegen und Vertrauten Gernot Blümel bietet Sebastian Kurz nun der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft schriftlich seine Zeugenaussage an.
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Der Disput zwischen der ÖVP und der Justiz ist um eine Facette reicher. Kanzler sieht bei sich konstruktives Vorgehen, Opposition ortet Panik.

Von Michael Sprenger

Wien – Es ist ein ungewöhnlicher Schritt, den da Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Sonntag gesetzt hat. Er schreibt im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen seinen Parteikollegen und Vertrauten, Finanzminister Gernot Blümel, einen zweiseitigen Brief an der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Dies sei keinesfalls als weiterer Angriff gegen die Justiz zu werten, sondern sei ein konstruktives Vorgehen, heißt es aus dem Kabinett des ­Kanzlers.

Warum setzt der Kanzler so ein ungewöhnliches Zeichen? Im Brief vom Sonntag argumentiert der ÖVP-Obmann und Kanzler so: „Ich bin der Meinung, dass Ermittlungen unabhängig durch die Justiz durchgeführt werden sollten, und ich würde mich deshalb auch nie öffentlich in ein Verfahren einmischen. Da aber in diesem konkreten Fall fehlerhafte Fakten und falsche Annahmen der WKStA an Medien gelangt sind, bin ich nun seit über einer Woche täglich mehrere Stunden beschäftigt, Medienanfragen aus dem In- und Ausland zu diesen falschen Anschuldigungen zu beantworten. Fehlerhafte Fakten und unrichtige Annahmen aus Ihren Akten, die an die Öffentlichkeit geraten, sorgen im In- und Ausland nicht nur für einen Reputationsschaden für die betroffenen Personen, sondern führen vor allem im Ausland auch zu einem Reputationsschaden für die Bundesregierung und damit für die gesamte Republik Österreich.“

Kritik aus dem blauen und pinken Lager

Also will Kurz der Behörde seine Zeugenaussage anbieten. „Ich stehe Ihnen jederzeit, sieben Tage die Woche, für eine Zeugenaussage zur Verfügung, denn es ist mir ein Anliegen, dass diese fehlerhaften Fakten sowie die falschen Annahmen rasch aus der Welt geschafft werden können“, heißt es in dem Schreiben. Einmal mehr hielt Kurz fest, dass die ÖVP keine Spenden von der Novomatic erhalten habe.

FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl ortete in dem Kanzler-Brief eine „durchschaubare Flucht nach vorne“. Damit offenbare Kurz nur sein schlechtes Gewissen, offenbar herrsche in der ÖVP „nackte Panik“, mutmaßt Kickl: „Man darf gespannt sein, welche Machenschaften noch ans Licht der Öffentlichkeit treten werden, wenn der schwarz-türkise Obmann jetzt schon so reagiert.“ Dem Kanzler entgleite die „Message Control“. „Das Motto in der Volkspartei laute jetzt: ‚Rette sich, wer kann!‘“, feixte der FPÖ-Klubobmann.

Kritik kam auch von den Pinken. Kurz brauche der WKStA nicht eine Zeugenaussage anbieten, sagte der NEOS-Vizeklubchef Nikolaus Scherak: „Die Ermittlerinnen und Ermittler müssen nur ohne die ständigen Angriffe aus den Reihen der ÖVP arbeiten können.“ Sollte eine Zeugenaussage von Kurz relevant sein, „dann wird die ­WKStA auch ohne Einladung des Herrn Bundeskanzler auf ihn zukommen“. Die ÖVP-Zurufe in Richtung Justiz seien „entbehrlich“ und müssten ein Ende haben, so Scherak.

Blümel wird im Zusammenhang mit möglichen Parteispenden als Beschuldigter geführt. Unter anderem wurde eine Hausdurchsuchung beim Finanzminister durchgeführt. Er selbst kann an den Chatnachrichten, die er von Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann erhalten hat, nichts Verfängliches finden. „Erstens kann man für das Erhalten von SMS nichts. Zweitens würde ich alles noch einmal so machen, weil die Rückschlüsse der Staatsanwaltschaft aus den Nachrichten falsch sind“, sagte Blümel der Presse am Sonntag.

Neumann hatte im Juli 2017 an Blümel geschrieben und um einen Termin beim damaligen Außenminister und Neo-ÖVP-Chef Kurz gebeten, um über eine Spende zu sprechen und wegen eines „Problems, das wir in Italien haben“. Der Glücksspielkonzern hatte eine millionenschwere Steuerschuld in Italien als Problem. Und zu diesem Zeitpunkt schickte sich Kurz an, Kanzler zu werden.