EU bringt wegen Nawalny neue Russland-Sanktionen auf den Weg

Die EU bringt wegen der Inhaftierung des Kremlkritikers Alexej Nawalny neue Russland-Sanktionen auf den Weg. Die Außenminister der EU-Staaten einigten sich am Montag bei einem Treffen in Brüssel darauf. Die EU will demnach vier russische Verantwortliche mit Sanktionen wegen des Vorgehens gegen Nawalny belegen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte, er hoffe auf einen offiziellen Beschluss innerhalb einer Woche. Moskau drohte mit Konsequenzen.

Zur Verhängung der Strafmaßnahmen wird nach Angaben von Borrell und Deutschlands Außenminister Heiko Maas erstmals ein neues, im vergangenen Jahr geschaffenes EU-Sanktionsinstrument genutzt. Dieses ermöglicht es, in der EU vorhandene Vermögenswerte von Akteuren einzufrieren, die schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begehen oder davon profitieren. Zudem würden unter anderem EU-Einreiseverbote verhängt.

Als mögliche Betroffene der neuen Sanktionen gelten Generalstaatsanwalt Igor Krasnow und Ermittlungskomitee-Chef Alexander Bastrykin. Zudem werden auch die Namen des Chefs des Gefängnisdienstes, Alexander Kalaschnikow, sowie des Leiters der Nationalgarde, Viktor Solotow, genannt.

Forderungen nach Vermögenssperren gegen Oligarchen und andere vermögende Unterstützer von Präsident Wladimir Putin würden damit vorerst nicht umgesetzt. Als ein Grund gilt, dass sie einer Überprüfung durch den Europäischen Gerichtshof nicht standhalten könnten.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) erklärte vor dem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen in Brüssel, nicht zu glauben, dass Sanktionen gegen Russland „zahnlos“ seien. Wenn dies der Fall wäre, würde Moskau nicht mit Drohungen antworten, so Schallenberg gegenüber Journalisten. Einerseits versuche man mit Sanktionen eine „Verhaltensveränderung“ herbeizuführen, anderseits setze man ein „klares Signal, dass wir eine Maßnahme, eine Politik“ ablehnen. Zu dem umstrittenen Besuch von Borrell erklärte Schallenberg: „Grundsätzlich glaube ich, dass es richtig war, den Dialog fortzusetzen und nach Moskau zu fahren.“

Auch Maas betonte, die EU werde aber auch über Wege reden, wie man mit Russland in einem „konstruktiven Dialog“ bleiben könne. „Wir brauchen Russland, um viele internationale Konflikte beizulegen“, sagte der SPD-Politiker. Die Beziehungen zwischen der EU und Russland befänden sich aber derzeit auf einem Tiefpunkt. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn äußerte am Montag die Sorge, dass der Tiefpunkt in den Beziehungen zwischen der EU und Russland noch nicht erreicht sein könnte. Der russische Außenminister Sergej Lawrow habe indirekt gesagt, dass Russland einen Abbruch der Beziehungen zur EU erwäge, erklärte Asselborn. „Es geht also tief.“

Russland drohte mit Konsequenzen. Die Sanktionen würden von russischer Seite nicht unbeantwortet bleiben, sagte der Chef des Auswärtigen Ausschusses der Staatsduma, Leonid Sluzki, am Montagabend in Moskau der Agentur Interfax zufolge. Details nannte er nicht. Das russische Außenministerium nannte es am Abend in einer Mitteilung „enttäuschend“, dass die EU-Außenminister „unter einem weit hergeholten Vorwand“ die Entscheidung getroffen hätten, „einseitige Einschränkungen“ für russische Staatsbürger vorzubereiten. Brüssel habe unter Beachtung der Gruppen-Disziplin und antirussischen Klischees den „Knopf“ für unwirksame Sanktionen gedrückt. Das Ministerium warf der EU zudem vor, sich in die inneren Angelegenheiten Russlands einzumischen.

Im Fall Nawalny fordert die EU seit nunmehr rund drei Wochen erfolglos die Freilassung des Kremlkritikers. Moskau weist dies als Einmischung in innere Angelegenheiten zurück. Der 44-Jährige wurde Anfang Februar in Moskau verurteilt, weil er aus Sicht der Richterin mehrfach gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren von 2014 wegen Betrugs und Veruntreuung von Geldern verstoßen hatte. In einem Berufungsverfahren bestätigte die Justiz am vergangenen Samstag die verhängte Straflagerhaft. Ebenfalls am Samstag wurde Nawalny dann noch zu einer Strafe verurteilt, weil er einen Weltkriegsveteranen beleidigt haben soll.

Der Oppositionspolitiker hatte sich im Jänner zur Rückkehr in seine Heimat entschieden, obwohl er dort Opfer eines Anschlags mit dem als Chemiewaffe verbotenen Nervengift Nowitschok geworden war. Er wurde dann bei seiner Ankunft in Moskau festgenommen. Wegen des Anschlags auf Nawalny verhängte die EU bereits im vergangenen Jahr Einreise- und Vermögenssperren gegen mutmaßliche Verantwortliche aus dem Umfeld von Präsident Putin. In Brüssel wird davon ausgegangen, dass staatliche Stellen in Russland hinter dem Attentat stehen.

Europaabgeordnete begrüßten den Sanktionsbeschluss. „Die neuen Sanktionen müssen jedenfalls auch die milliardenschweren Oligarchen in Putins engstem Unterstützerkreis treffen, sonst werden sie keine Wirkung erzielen“, sagte der SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder. „Das Verhalten der russischen Führung nach innen und außen ist durch nichts zu rechtfertigen. Eine bessere Zukunft wird dann gelingen, wenn wir die Kommunikationskanäle offenhalten und so auch das immer wieder stattfindende Überschreiten von roten Linien sanktionieren“, so der ÖVP-Europaabgeordnete Lukas Mandl.

Thomas Waitz, EU-Abgeordneter der Grünen und Ko-Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei, sagte, die Sanktionen seien „nur ein kleiner Klapps auf die Finger“ und würden Kremlchef Wladimir Putin wenig beeindrucken. „Die EU muss harte Konsequenzen ziehen und sich aus der Nord Stream 2-Pipeline zurückziehen“, forderte er.