Pflegelehre

Sand im Getriebe bei Umsetzung: Pflegelehre höchst umstritten

Tirol braucht bis 2030 zusätzlich 7000 Pflegekräfte. Die Wirtschaft forciert die Lehre.
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Es ist ein Herzensprojekt der Wirtschaft: Die Pflegelehre ist trotz Kritik von Arbeitnehmervertretern fix. Die Umsetzung verzögert sich.

Von Alexandra Plank

Innsbruck – Jahrelang war die Pflegelehre im Gespräch. Laut Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) soll die Umsetzung ab dem Schuljahr 2021/22 erfolgen. Momentan ist jedoch Sand im Getriebe. Bis Anfang Februar sollte eine Agentur des Gesundheitsministeriums ein Berufsbild ausarbeiten, dieses liegt laut Gewerkschaft aber noch nicht vor.

Teil des Regierungsprogramm

Seitens der WK betont man, dass an der Pflegelehre, die auch im Regierungsprogramm verankert ist, festgehalten wird. Gesundheits- und Wirtschaftsministerium müssten sich jedoch noch auf ein Konzept einigen: „Dieses soll in Workshops mit Stakeholdern finalisiert werden.“ Der Prozess habe sich aufgrund der Corona-Pandemie verzögert. Es brauche jedoch dringend einen niederschwelligen Zugang zu den Pflegeberufen, da händeringend nach Kräften gesucht werde.

Arbeitnehmervertreter und Patientenanwälte standen der Idee der Pflegelehre hingegen stets sehr skeptisch gegenüber. Philip Wohlgemuth, Vorsitzender des ÖGB Tirol, sagt dazu: „Teenager gehören nicht an ein Pflegebett! Durch frühzeitige Überforderung könnten junge Menschen der Branche eher den Rücken kehren.“ Eine fundierte Ausbildung in Form einer berufsbildenden höheren Schule (BHS) mit Schwerpunkt Gesundheits- und Sozialberufe, wie sie die Pflegeferrari in Tirol anbietet, wäre sinvoll. Auch Quereinsteiger müssten gezielt gefördert werden. „Ich denke etwa an berufsbegleitende Ausbildungsangebote und gezielte Umschulungen“, so Wohlgemuth. Pflege sei emotionale Schwerstarbeit, auf die man entsprechend vorbereitet werden müsse und die später begleitet gehöre, etwa durch Supervision.

Für den ÖGB-Chef erwächst der eklatante Personalmangel ohnedies nicht aus einem Mangel an Interessierten, sondern aus den schwierigen Rahmenbedingungen wie hohe psychische und physische Belastung, familienfeindliche Arbeitszeiten und schlechte Bezahlung. „Um die Branche für Junge und Quereinsteiger attraktiv zu machen, muss in diesen Punkten deutlich nachgebessert werden“, schließt Wohlgemuth.

Innsbrucker Soziale Dienste für Pflegelehre

Ein Befürworter der Pflegelehre ist Thomas Strickner von den Innsbrucker Sozialen Diensten (ISD). Er saß für die WK in der Arbeitsgruppe und sieht die Lehre als ein wichtiges Puzzleteil, um dem Pflegenotstand vorzubeugen. Schätzungen gehen davon aus, dass in Tirol binnen zehn Jahren 7000 zusätzliche Kräfte benötigt werden. Derzeit gebe es pro Jahr nur 300 Absolventen am AZW, das die meisten Pflegekräfte ausbildet, so Strickner. Neben einer besseren Bezahlung sei auch ein höherer Personalschlüssel ein Anreiz, den Beruf zu ergreifen. „Die Pflegelehre könnte viele junge Menschen gleich nach der Pflichtschule abholen“, ist sich Strickner sicher. „Es ist für Teenager attraktiv, wenn sie während der Ausbildung ein Lehrlingsgehalt bekommen.“ Die Vorbehalte bezüglich des Alters könne man auflösen, indem man die Lehrlinge nicht gleich auf Akutstationen einsetzt.

Birgit Seidl, Betriebsratsvorsitzende der Tirol Kliniken, wundert diese Argumentation. „Gerade in den Pflegeheimen wird Personal gebraucht, an der Klinik können wir offene Stellen hingegen besetzen.“ Sie glaube, dass wegen der großen Verantwortung, die auf Altenpflegern lastet, der Einsatz von jungen Menschen dort noch überfordernder sei: „Mit gutem Grund beginnt die Pflegeausbildung erst mit 17 Jahren. Pflege ist ein Beruf mit viel Verantwortung, es braucht eine qualitative Ausbildung.“

Die Betriebsrätin geht mit den Plänen der Regierung hart ins Gericht: Die Pflegelehre sei ein Rohrkrepierer und ein ungeeigneter Versuch, um „Löcher zu stopfen“.