Regionalwahl: Die Katalanische Republik soll nach links blinken
Das Unabhängigkeitslager in Katalonien sieht sich durch die Regionalwahl gestärkt. Intern wollen nun die Linksrepublikaner die Führung übernehmen.
Von Floo Weißmann
Barcelona – Bei der Regionalwahl in Katalonien vor knapp zwei Wochen hat das Unabhängigkeitslager seine Mehrheit im Parlament in Barcelona ausgebaut und wird wohl weiter regieren. Es kam aber zu internen Verschiebungen: Die Linksrepublikaner (ERC), die auf Dialog mit Madrid setzen, überholten die nationalkonservative JxCat von Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont, die konfrontativer vorgeht. Stärkste Einzelkraft in Katalonien wurden allerdings die Sozialisten, die auch die spanische Zentralregierung anführen.
Über die Folgen der Regionalwahl für Katalonien und für den Konflikt mit Madrid sprach die TT mit dem katalanischen Außenminister Bernat Solé, einem Linksrepublikaner. Er selbst wurde im Jänner – nicht rechtskräftig – zu einer Ämtersperre und einem Bußgeld verurteilt, weil er als Bürgermeister der Kleinstadt Agramunt das Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober 2017 mitgetragen hat.
Die Zentralmacht betrachtet das Referendum als verfassungswidrig und hat die damalige politische Führung von Katalonien großteils verurteilt oder ins Exil getrieben.
Für die größte internationale Aufregung sorgte zuletzt aber die Haftstrafe für den aus Katalonien stammenden Rapper Pablo Hasél, der sich in Texten mit der spanischen Krone angelegt hatte.
Die Verurteilung des Rappers Pablo Hasél wegen Majestätsbeleidigung hat auch in Österreich Schlagzeilen gemacht. Was sagen Sie zu dem Fall?
Bernat Solé: Die Meinung meiner Regierung ist, dass die Redefreiheit für alle Menschen gelten muss. Zugleich müssen Regierungen das Recht der Menschen auf friedlichen Protest akzeptieren. Gewalt ist aber niemals eine Lösung.
Sie würden also eine Gesetzesänderung unterstützen?
Solé: Es darf niemals ein Vergehen sein, seine Meinung zu sagen. Alle Künstler müssen die Möglichkeit haben, sich auszudrücken. Wenn dafür eine Gesetzesänderung notwendig ist, stimme ich ihr zu.
Sie haben auch eigene Erfahrungen mit der spanischen Justiz gemacht, die Sie wegen der Unterstützung des Referendums von 2017 verurteilt hat. Was erwarten Sie von Ihrer Berufung?
Solé: Das Gerichtsurteil hat es mir nicht erlaubt, bei der Regionalwahl zu kandidieren und in unser Parlament einzuziehen. Aber solange die Berufung beim Höchstgericht anhängig ist, kann ich weiterhin Mitglied der Regierung sein. Vom Höchstgericht erwarte ich mir nichts. Es ist möglich, dass ich endgültig des Amtes enthoben werde.
In unserem letzten Gespräch haben Sie von einem politischen Prozess gesprochen ...
Solé: Es ist offensichtlich ein politisches Verfahren. Die Mehrheit der Bürgermeister ist am 1. Oktober (dem Tag des Referendums, Anm.) auf der Seite der Menschen gestanden. Nur ich und einige andere Bürgermeister wurden angeklagt. Das ist willkürlich. Abgesehen davon ist es kein Verbrechen, wenn man den Menschen dabei hilft, über ihre Zukunft abzustimmen.
Bei der Regionalwahl hat das Unabhängigkeitslager seine Mehrheit ausgebaut. Was haben Sie nun vor?
Solé: Wir müssen einen Konsens über eine breite und starke Regierung erzielen, über die Selbstbestimmung abstimmen und eine Amnestie erreichen für unsere politischen Gefangenen und die Menschen im Exil. Das ist ein wichtiger Moment, an dem wir gegen Covid-19 kämpfen und zugleich die katalanische Republik voranbringen.
Das Unabhängigkeitslager hat auch schon vor der Regionalwahl regiert. Was ist nun anders als davor?
Solé: Es geht um den Weg zur katalanischen Republik. Wir müssen den Leuten zeigen, dass die Republik die beste Möglichkeit ist, soziale Anliegen umzusetzen – mit einer Regierung, die im Interesse aller entscheidet. Wir haben nun vier Jahre, um in diese Richtung zu arbeiten.
Die sozialistische Regierung in Madrid muss sich das Wahlergebnis in Katalonien anschauen und Konsequenzen ziehen. Der Konflikt löst sich nicht in Luft auf, er kann nicht dauerhaft ignoriert werden.
Wenn man die Frage der Unabhängigkeit ausklammert, gäbe es auch eine Mehrheit von linksorientierten Parteien. Sehen Sie ein Szenario, in dem Sie mit den Sozialisten zusammenarbeiten?
Solé: Das ist für uns unmöglich. Wir wollen eine starke Regierung um die Themen Selbstbestimmung und Amnestie bilden. Die Sozialisten stimmen in diesen Punkten nicht mit uns überein.
Aber die Botschaft der Menschen ist wichtig, dass sie eine linksorientierte Politik wollen – eine Regierung, die weiter links steht als die vorhergehende. Wir wollen die Regierung mit Pere Aragonés (als Regionalpräsident, Anm.) in diese Richtung führen.
Aber Sie werden mit der Regierung in Madrid sprechen müssen, die von den Sozialisten geführt wird ...
Solé: Wir stimmen Verhandlungen mit jeder spanischen Regierung zu, weil wir denken, dass es für diesen Konflikt eine politische Lösung braucht. Die Dialogbereitschaft bringt uns aber nicht automatisch in eine Koalition mit den Sozialisten. Sie sind gegen eine Amnestie, die eines unserer wichtigsten Ziele ist.
Unter Anhängern der Unabhängigkeit war die Wahlbeteiligung zwar höher als unter Gegnern. Aber in der Gesamtbevölkerung ist die Unterstützung für die Unabhängigkeit laut einer Umfrage zuletzt gesunken ...
Solé: Die einzige Antwort darauf ist ein Referendum. Wir müssen Anhängern und Gegnern der Unabhängigkeit die Möglichkeit geben, ihre Stimme abzugeben. Wir halten die Demokratie hoch und werden das Ergebnis akzeptieren.
Gibt es einen Plan B – vielleicht eine stärkere Autonomie?
Solé: Es gibt keinen Plan B. Wir müssen daran arbeiten, die Menschen zu überzeugen, dass eine katalanische Republik der beste Weg ist, um ihre Rechte zu sichern und eine progressive Politik umzusetzen. Wir machen hier keine taktischen Spiele, sondern wir arbeiten für ein Referendum.