Kontrollen an Grenze zu Bayern: Kammern fordern Ende der „Grenzsperre“
Wirtschaftsvertreter aus Bayern und Tirol verlangen freie Fahrt für Güterverkehr und Grenzpendler. Die Schäden seien bereits immens.
Von Jasmine Hrdina
Kufstein – „So kann es an der Grenze nicht weitergehen“, forderten gestern Wirtschaftsvertreter aus Tirol und Bayern freie Fahrt für den Güterverkehr und für Grenzpendler. Bei den derzeitigen Bestimmungen handle es sich nicht wie kolportiert um „Grenzkontrollen“, sondern „de facto um eine Grenzsperre“, zeigten Kammervertreter und Unternehmer auf. Über Jahrzehnte habe man die Zusammenarbeit in Südtirol, Tirol und Bayern aufgebaut, nun droht alles zu zerfallen, die wirtschaftlichen Schäden werden nach und nach sichtbar.
„Man drückt uns ein 47-seitiges Pamphlet in die Hand, was wir alles zu machen haben. Leute, so geht das nicht“, brachte es Georg Dettendorfer, Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer München/Oberbayern auf den Punkt. Als Chef eines Bayerischen Transportunternehmens berichtete er vom täglichen Bürokratie-Spießrutenlauf der Lkw-Fahrer. In einem Land gelten Antigen-Tests, im anderen nur PCR-Tests, nicht überall gibt es kostenlose Angebote dazu, teilweise wartet man Stunden auf Ergebnisse. „Wir können teilweise Lieferketten nicht mehr aufrechterhalten, einzelne Produktionen sind schon stillgestanden. Niemand ersetzt uns diese Kosten“, erzählt Dettendorfer.
Zu den bürokratischen Hürden gesellen sich Sprachbarrieren: Bescheide werden in der jeweiligen Landessprache ausgestellt – und an der Grenze der nächsten Nation nicht mehr akzeptiert. Für eine Fahrt von Deutschland nach Italien und retour muss man sich über mehrere Portale registrieren – und jede Woche gibt es neue Regeln. Einige Fahrer drohten wegen des Aufwands und Wirrwarrs schon, ihren Job hinzuschmeißen. Dettendorfer und seine Mitstreiter forderten eine EU-weit einheitliche Regelung. „Mit dieser Politik der unüberlegten Entscheidungen stürzt man uns ins Chaos. Die Grenzsperre muss aufgehoben werden – besser gestern als heute.“
Als „unverhältnismäßig und überbordend“ bezeichnete der Kufsteiner Wirtschaftskammerobmann Manfred Hautz das Einreiseverbot für Nordtiroler in Deutschland mit Verweis auf lockerere Regeln in deutsch-französischen Grenzgebieten. Dort sei die Inzidenzrate mit über 300 wesentlich höher als in Tirol (107,3: Stand 3. März, AGES), noch dazu die Südafrika-Mutante vorherrschend.
Vertrieb, Montage und Serviceleistungen, die Abnahme von Projekten – viele Unternehmen können ihre tägliche Arbeit in der Region nicht mehr verrichten. Neue Aufträge werden angesichts der unsicheren Lage nur noch im eigenen Land vergeben, klagte Wolfgang Engl. Der auf Spezialtiefbau, Kräne und Transporte fokussierte Schwoicher Unternehmer tätigt die Hälfte seines Geschäfts im grenznahen bayerischen Raum.
Man hat genug vom politischen Pingpong-Spiel der Länder. „Es braucht mehr Empathie der Wirtschaft gegenüber“, resümierte Hautz. Euregio-Inntal-Präsident Walter Mayer erinnerte an das jahrhundertelange Zusammenleben der Bayern und Tiroler und klagte an; „Das Virus kennt keine Grenzen, trotzdem werden nun die Jalousien heruntergefahren.“