Innsbruck

Neuer Anlauf in der NS-Gedenkkultur in Innsbruck

Am 27. Jänner wurden zum Gedenken an die NS-Opfer Kränze am Mahnmal in der Reichenau niedergelegt.
© Domanig

Die Stadt Innsbruck will dezentrale Erinnerungszeichen für Opfer des NS-Regimes fördern, allerdings nicht in Form von „Stolpersteinen“. In den neuen Gedenkort für das Lager Reichenau soll eine Landes-Studie einfließen.

Innsbruck – Würdige, zeitgemäße Erinnerungskultur in Bezug auf die NS-Zeit bleibt in Innsbruck ein brisantes und schwieriges Thema. In seinen jüngsten Sitzungen hatte sich der städtische Kulturausschuss diesbezüglich mit zwei konkreten Aspekten auseinanderzusetzen.

Zum einen geht es um die Frage personalisierter, dezentraler Gedenkzeichen im öffentlichen Raum. Virulent wurde sie durch die Forderung der Initiative „Stolpersteine für Tirol“, diese – international verbreitete, kontrovers diskutierte – Erinnerungsform in Gestalt kleiner Gedenktafeln am Boden auch in Innsbruck zu verankern.

Inzwischen liegt dazu ein Arbeitspapier vor, das von allen Fraktionen „sehr positiv aufgenommen“ wurde, wie Kulturausschuss-Obfrau GR Irene Heisz (SPÖ) betont. Dieses folgt der Idee, Erinnerungszeichen möglichst am oder in der Nähe des letzten frei gewählten Wohnortes von NS-Opfern anzubringen, ist aber eine implizite Absage an die „Stolpersteine“. Auf Privatgrund sei dies jedem unbenommen, sagt Heisz, im öffentlichen Straßenraum wolle man hingegen eine einheitliche, Innsbruck-spezifische Form des Gedenkens schaffen. Unterstützt und genehmigt werden sollen entweder Tafeln, die an Hauswänden oder vorhandenen (Laternen-)Säulen angebracht werden, oder eigens errichtete Stelen. Zur künstlerisch kohärenten Gestaltung soll, nach Abklärung verkehrsrechtlicher Fragen (Straßenreinigung etc.), ein geladener Wettbewerb stattfinden.

Dass verwelkte Blumen wochenlang nicht beseitigt wurden, sorgte zuletzt für Kritik.
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Begleitend soll ein virtuelles Gedenkbuch mit kurzen Biographien der NS-Opfer geschaffen werden. Ein Beirat, bestehend aus der Kulturausschuss-Vorsitzenden sowie je einem Vertreter des Stadtarchivs, des Instituts für Zeitgeschichte an der Uni Innsbruck und der Israelitischen Kultusgemeinde soll die Anträge prüfen. Personen(gruppen) aus der Zivilgesellschaft sollen diese Anträge stellen und sich mit Beiträgen in selbstgewählter Höhe an den Gedenkzeichen beteiligen. Die restlichen Kosten trägt die Stadt.

Zweites großes Thema war und ist die Erinnerung an das ehemalige Gestapo-Lager Reichenau. Das alte Denkmal steht beim Recyclinghof in der Roßau, inmitten von Verkehrslärm und Staub, denkbar ungeeignet für ein stilles Gedenken. Dass das Denkmal versetzt und neu kontextualisiert werden soll, sei Grundkonsens, bestätigt Heisz. Anläufe gab es schon vor über fünf Jahren, alle sind versandet. Nun wolle man aber „Nägel mit Köpfen machen“.

Für den neuen Gedenkort ist eine städtische Grünfläche am Inn im Gespräch. Fix ist, dass das alte Denkmal von 1972 eingebaut und selbst zum Thema gemacht werden soll. Schließlich sagt der Gedenkstein gerade mit seinen inhaltlichen Fehlern viel über Tirols Umgang mit der NS-Zeit aus.

Kaum noch lesbar ist eine privat gestiftete Gedenktafel in italienischer Sprache.
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Bis zur Umsetzung dürfte es aber noch dauern. Laut Kulturstadträtin Uschi Schwarzl (Grüne) und Heisz soll eine vom Land Tirol beauftragte Studie der Uni Innsbruck zum Thema Zwangsarbeit abgewartet werden und etwaige relevante Ergebnisse noch in die Gestaltung des neuen Gedenkortes einfließen. Eine international besetzte Jury soll dann das neue Gedenkprojekt begleiten.

Zuletzt übte Matthias Breit, Leiter des Gemeindemuseums Absam, scharfe Kritik an der Pflege des bestehenden Denkmals. Die umgebende Grünfläche sei immer wieder voll Müll, wochenlang seien nicht einmal die verwelkten Blumen vom Gedenkakt Ende Jänner entfernt worden. Auch das Denkmal selbst sowie eine kaum noch leserliche, privat gestiftete Gedenktafel gehörten dringend gereinigt.

Bei der Stadt heißt es dazu, die Grünflächen würden regelmäßig gesäubert. BM Georg Willi (Grüne) hat zudem eine Reinigung des großen Gedenksteins in Auftrag gegeben, wobei laut Kulturamt aber die „Patina“ des Steins erhalten bleiben soll. (md)

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