Bundesrechnungshof kritisiert „Staat im Staat“ in Tiwag
Ein „Super-Aufsichtsrat“ durfte über Projekte in Höhe von 334 Millionen Euro entscheiden. Rechnungshof vermisst Transparenz und Kontrolle.
Von Peter Nindler
Innsbruck – Nach dem Rohbericht im Oktober – die TT berichtete – hat der Bundesrechnungshof (RH) gestern seinen Endbericht über den Landesenergieversorger Tiwag vorgelegt. Die Tiwag ist mit 1250 Mitarbeitern eines der größten Landesunternehmen. Neben der bereits kritisierten Kostenüberschreitung beim Bau des Gemeinschaftskraftwerks Inn (GKI) von 461 auf 605 Mio. Euro nimmt der Rechnungshof bekanntlich die engen Verflechtungen der Tiwag mit der Landespolitik und der Wirtschaft ins Visier. Und nicht nur das.
Denn zusätzlich zum Vorstand, Aufsichtsrat und Eigentümervertreter (LH Günther Platter) wurde noch ein Präsidialausschuss gebildet, dem u. a. Aufsichtsratspräsident Reinhard Schretter (Vorstandsmitglied der Industriellenvereinigung) sowie seine beiden Stellvertreter Wirtschafts-LR Patrizia Zoller-Frisch- auf und Wirtschaftskammervizepräsident Manfred Pletzer angehören. Der Ausschuss hat umfassende Entscheidungskompetenzen im Unternehmen.
Der Ausschuss hielt laut RH im Zeitraum 2015 bis Juni 2019 keine Sitzungen ab und fasste nur Umlaufbeschlüsse. „Dies konnte ein Informationsgefälle gegenüber den nicht in den Ausschüssen vertretenen Mitgliedern des Aufsichtsrats bewirken und die Qualität und Transparenz der Entscheidungen beeinträchtigen“, bemängelt der RH. Nicht weniger als 86 vom Präsidialausschuss getroffene Entscheidungen wurden dem Aufsichtsrat vorgelegt, sie umfassten ein Volumen von rund 334 Millionen Euro. Der Aufsichtsrat hat die Beschlüsse des Präsidialausschusses weitgehend ohne Diskussion zur Kenntnis genommen.
Aus Sicht des Rechnungshofs sollten allerdings auch Aufsichtsratsmitglieder, die nicht in dem Ausschuss sitzen, die Plausibilität der getroffenen Entscheidungen nachvollziehen können. „Dies war in der Tiwag jedoch nur eingeschränkt der Fall, weil dem Aufsichtsratsplenum keine Sitzungsprotokolle und auch nicht immer alle relevanten Informationen vorlagen“, wie der RH festgestellt hat.
Die Anregungen aus dem Rechnungshofbericht sind für Landtagsvizepräsident Anton Mattle (VP) ernst zu nehmen und auf sachlicher Ebene zu diskutieren. „Die Wortwahl der Opposition, die von politischer Bombe bis hin zu Durchseuchung spricht, sind aber völlig unangebracht.“
Davon spricht FPÖ-Chef Markus Abwerzger und legt nach: „Wir haben mehrmals die Aufsichtsratsbesetzungen in landesnahen Unternehmen mit aktiven Politikern der Regierungsparteien abgelehnt.“ Leider halte man sich in Tirol nicht daran.
Liste-Fritz-Mandatar Markus Sint ortet angesichts des Rechnungshofberichts massive ÖVP-Einflussnahme durch Landeshauptmann Platter. „Politischen Sprengstoff hat aber der Präsidialausschuss, der als Schattenvorstand agiert.“ Für den Rechnungshofsprecher der NEOS im Parlament. NR Douglas Hoyos, ist die Verflechtung von ÖVP-Funktionären und landeseigenen Unternehmen mit Milliardenumsätzen in Tirol beispiellos.