Proteste gegen Militär in Myanmar - Ein Toter bei Razzien
In Myanmar haben erneut Zehntausende Menschen gegen das Militär demonstriert. Dabei gingen die Sicherheitskräfte erneut gewaltsam vor, in mehreren Städten setzten sie scharfe Munition gegen die Demonstranten ein. Schüsse sollen auch bei nächtlichen Razzien in der Wirtschaftsmetropole Yangon gefallen sein, ein Anhänger der Nationalen Liga für Demokratie (NLD) wurde zu Tode geprügelt. Führende Gewerkschaften riefen indes ab Montag zum Generalstreik auf.
„In einigen Bezirken wurden NLD-Vertreter verhaftet, wir wissen nicht genau, wie viele“, sagte Soe Win, ein Vertreter der Partei der entmachteten De-Facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi, der Nachrichtenagentur AFP. Mindestens einer von ihnen, der 58-jährige Khin Maung Latt, wurde während einer Razzia in Yangon (früher Rangun) getötet, erklärte Tun Kyi von der „Vertretung ehemaliger politischer Häftlinge“. Er sei „einem harten Verhör unterzogen worden“. Der Leichnam des Mannes sei bereits vom Militärkrankenhaus auf dem Weg zum Friedhof.
Der NLD-Abgeordnete Sithu Maung berichtete auf Facebook, Einsatzkräfte der Militärjunta seien in der Nacht beim Haus von Parteisprecher U Maung Maung aufgetaucht. Als sie ihn dort nicht fanden, hätten sie dessen Bruder geschlagen und gefoltert.
In den Staatsmedien Myanmars wurde Abgeordnete, die sich zu dem Komitee Pyidaungsu Hluttaw zusammengeschlossen haben, massiv gedroht. Mit ihrem Anspruch, die rechtmäßige Regierung von Myanmar zu stellen, begingen sie „Hochverrat“. Dieser werde mit langer Haft oder dem Tod bestraft, hieß es in Mitteilungen der staatlichen Medien.
Ungeachtet der Razzien, Drohungen und Einschüchterungen gehen die Proteste gegen den Militärcoup von Anfang Februar und für die Freilassung von Aung San Suu Kyi unvermindert weiter. Bei einer großen Kundgebung in der zweitgrößten Stadt Mandalay setzten die Sicherheitskräfte am Sonntagnachmittag Tränengas, Gummigeschoße und scharfe Munition gegen Demonstranten ein. Yan Naing vom Rettungsdienst in Mandalay berichtete, dass zwei seiner Kollegen auf Motorrädern angeschossen wurden - einer konnte entkommen, der andere wurde von Sicherheitskräften mitgenommen. In Mandalay hatten Aktivisten mit einem Sitzstreik protestiert, nachdem sie zuvor mit zwei Schweigeminuten der Menschen gedacht hatten, die von Polizei und Armee bei den Protesten in den vergangenen Wochen getötet wurden.
In der historischen Tempelstadt Bagan, weltweit bekannt für seine vielen Pagoden, eröffneten Sicherheitskräfte am Sonntag Augenzeugenberichten zufolge das Feuer, um einen Protest aufzulösen. Einem 19-jährigen Mann wurde laut Rettungskräften in den Kiefer geschossen. Eine 56-jährige Frau sei von einem Gummigeschoß am Bein getroffen worden.
In rund einem halben Dutzend weiteren Städten kam es ebenfalls zu Demonstrationen, auch in der größten Stadt Yangon. In der Stadt Lashio im Norden des südostasiatischen Landes ging die Polizei mit Tränengas und Blendgranaten gegen Demonstranten vor, wie Live-Bilder auf Facebook zeigten.
Neun Gewerkschaften riefen indes am Sonntag zu landesweiten Streiks ab Montag auf. Alle Menschen sollten ihre Arbeit niederlegen, um einen „vollständigen, ausgedehnten Stillstand“ der Wirtschaft des Landes herbeizuführen, hieß es.
Am Samstag wurde in den staatlichen Medien öffentlich Bediensteten mit sofortiger Entlassung gedroht, sollten sie nicht an ihre Arbeitsplätze zurückkehren. Zahlreiche öffentlich Bedienstete boykottieren derzeit aus Protest gegen die Junta die Arbeit. Die Junta will am Montag die Banken in dem südostasiatischen Land wieder öffnen.
Das Militär hatte am 1. Februar geputscht und die demokratisch gewählte De-Facto-Regierungschefin Suu Kyi unter Hausarrest gestellt. Seither dauern die Proteste gegen die Junta an, die mit immer härteren Methoden gegen die Demonstranten vorgeht. Nach UNO-Angaben wurden seit Anfang Februar mindestens 55 Menschen getötet. Allein am Mittwoch, dem bisher blutigsten Tag, starben 38 Menschen durch die gewaltsame Niederschlagung der Proteste. Bürgerrechtsgruppen sprechen zudem von über 1.700 Festnahmen.
China rief indes erneut alle Seiten zur Zurückhaltung auf. „Es hat unmittelbaren Vorrang, weiteres Blutvergießen und Konfrontation zu vermeiden“, sagte Außenminister Wang Yi am Sonntag auf einer Pressekonferenz aus Anlass der Jahrestagung des chinesischen Volkskongresses in Peking. China respektiere die Souveränität Myanmars und „den Willen des Volkes“. Auch unterstütze Peking die Vermittlungsbemühungen der südostasiatischen Staatengemeinschaft ASEAN nach dem Prinzip der Nicht-Einmischung, sagte Wang Yi.
Der Militärputsch hat Peking in ein Dilemma gebracht. Es verfolgt strategische und wirtschaftliche Interessen in dem Nachbarland. In alten Zeiten hatte Peking der Militärjunta in Naypyidaw den Rücken gestärkt. Allerdings bemühte sich Chinas Führung in den vergangenen Jahren auch auffällig um die demokratisch gewählte faktische Regierungschefin Aung San Suu Kyi, die jetzt vom Militär abgesetzt und unter Hausarrest gestellt wurde.