EU will bei Migration Druck auf Drittstaaten machen

Um die Rückführungsquote abgelehnter Schutzsuchender zu steigern, sollte die EU nach Ansicht von EU-Innenkommissarin Ylva Johansson über die Visa-Politik mehr Druck auf Drittstaaten ausüben. Der Bericht ihrer Behörde zur Zusammenarbeit mit 39 Ländern bei der Rückübernahme von Migranten sei dazu ein gutes Instrument, sagte die Schwedin am Freitag vor Gespräche der EU-Innenminister.

Die EU-Innenminister beraten am Freitag darüber, wie künftig mehr abgelehnte Schutzsuchende in ihre Heimatländer zurückgeführt werden können. Beschlüsse zu dem Thema werden bei der Videokonferenz von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und seinen Amtskollegen nicht erwartet. Die EU-Staaten können sich seit langem auf keine umfassende Reform der EU-Asylpolitik einigen. Zumindest sind sich jedoch alle darin einig, dass man bei den Rückführungen konsequenter werden muss.

2018 hatte die EU-Kommission das Ziel gesetzt, die Rückführungsquote bis 2020 auf rund 70 Prozent zu steigern. Dies würde bedeuten, dass sieben von zehn Ausreisepflichtigen die EU verlassen. Tatsächlich sind 2019 nach Angaben der EU-Kommission jedoch nur 29 Prozent jener Menschen ausgereist, die die EU-Staaten hätten verlassen müssen.

Dass die Rückführungsquote EU-weit so niedrig ist, liegt sowohl an den EU-Staaten selbst als auch an den Drittstaaten. Diese stellen beispielsweise nicht die nötigen Dokumente für ihre Landsleute zur Verfügung. Zudem ist die bereitwillige Rücknahme der eigenen Bürger für die Regierungen im Herkunftsland nicht unbedingt ein Gewinnerthema. In den EU-Staaten tauchen die Betroffenen teils unter.

Laut EU-Kommission könne den Ländern mit dem Bericht zur Zusammenarbeit mit Drittstaaten schwarz auf weiß gezeigt werden, „wie sie kooperieren und wie die Mitgliedsstaaten die Zusammenarbeit sehen, so dass wir Druck auf sie ausüben können“. Der seit Februar 2020 wirksame Visa-Kodex sieht vor, dass die EU ihre Visa-Politik als Hebel in den Beziehungen mit Drittstaaten nutzen kann. Stellschrauben sind etwa die Gültigkeitsdauer der ausgestellten Visa, die Höhe der Visagebühr oder die Befreiung bestimmter Reisender von den Gebühren.

„Immer mehr Menschen in Österreich und in Europa haben keine Bleibeberechtigung und bekommen negative Asylentscheidungen“, erklärte Nehammer. Visa-Sanktionen könnten ein „ein hilfreiches Instrument sein - wenn alle Bemühungen für funktionierende Abkommen gescheitert sind, kann das nicht ohne Folgen bleiben.“

Auch in den EU-Staaten gebe es Verbesserungsbedarf, sagte Johansson. Seit Jahren gelingt es nicht, die Quote der Ausreisepflichtigen, die die EU-Staaten verlassen, zu steigern.

Die EU-Kommission hatte im Februar einen Bericht vorgelegt, der die Zusammenarbeit mit 39 Drittstaaten bei der Rückkehr und Rückübernahme abgelehnter Schutzsuchender untersucht. Mit mehr als einem Drittel der betrachteten Länder müsse die Kooperation verbessert werden, heißt es darin nach Angaben der Brüsseler Behörde. Konkrete Länder nannte sie nicht; der Bericht ist vertraulich.

Nach Johanssons Vorstellungen sollten die EU-Staaten nun mit der EU-Kommission entscheiden, mit welchen Drittstaaten die Zusammenarbeit vorrangig verbessert werden soll. Anschließend sollte die EU-Kommission damit beauftragt werden, die Verhandlungen zu koordinieren. Auf dieser Grundlage wolle sie dann im Sommer positive oder negative Veränderungen der Visa-Politik für bestimmte Länder vorschlagen. „Wir sollten schnell arbeiten und das jetzt nutzen, um Druck in den Verhandlungen auszuüben“, sagte Johansson. Sie fühle sich dem Thema sehr verpflichtet und wolle die Gespräche auf höchster politischer Ebene führen.

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