Zwei Bundesländer läuten deutsches „Superwahljahr“ ein

In zwei westlichen, deutschen Bundesländern haben am Sonntag die Wahllokale für die mit Spannung erwarteten Landtagswahlen geöffnet: in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Sie bilden den Auftakt zum Superwahljahr 2021 in der Bundesrepublik mit insgesamt sechs Regionalwahlen und der Bundestagswahl im Herbst.

In Baden-Württemberg mit seinen elf Millionen Einwohnern sind laut Umfragen die Grünen mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann die klaren Favoriten. Der 72-jährige Kretschmann ist der erste und einzige grüne Länderchef in Deutschland. Die vergangenen fünf Jahre regierte er in einer Koalition mit den Christdemokraten (CDU) als Juniorpartner. Davor gab die CDU lange Jahre den Ton in dem Bundesland ganz im Südwesten an.

In Rheinland-Pfalz dürften laut Umfragen die Sozialdemokraten (SPD) von Ministerpräsidentin Malu Dreyer die Nase vorn haben. Sie hat die vergangenen fünf Jahre eine „Ampel-Koalition“ (Rot-Gelb-Grün) aus SPD, FDP (Liberalen) und Grünen geführt. 2013 bis 2016 koalierte Dreyer nur mit den Grünen.

Es sind die ersten Landtagswahlen in Deutschland seit Beginn der Corona-Pandemie vor einem Jahr. Deswegen wird mit deutlich mehr Briefwählern gerechnet als üblich.

Die regionalen Wahlen gelten als wichtiger Stimmungstest vor der nationalen Wahl Ende September. Die frühere, langjährige CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel, die seit November 2005 regiert, wird nach vier Amtszeiten nicht wieder antreten. Über die Kanzlerkandidatur wollen die Christdemokraten gemeinsam mit der bayerischen Schwesterpartei CSU (Christsoziale) nach Ostern entscheiden. In nationalen Umfragen sind die Unions-Parteien nach wie vor die mit Abstand stärkste Kraft. Sie haben aber in Umfragen zuletzt Punkte eingebüßt. Grund könnte die wachsende Unzufriedenheit der Deutschen mit dem Corona-Krisenmanagement der Bundesregierung und dem langsamen Impffortschritt sein. Zuletzt machten auch mehrere Bundestagsabgeordnete im Maskenskandal um Provisionszahlungen und damit zusammenhängenden Lobbyismus-Vorwürfen Negativschlagzeilen. Bisher haben drei von ihnen die CDU/CSU-Bundestagsfraktion verlassen und zwei auch ihr Mandat niedergelegt.

In Baden-Württemberg liegen die seit 2011 regierenden Grünen von Kretschmann in den Umfragen bei historischen Höchstwerten von 32 bis 34 Prozent. Sie haben dabei einen klaren Abstand von bis zu elf Prozentpunkten auf den derzeitigen Koalitionspartner CDU. Die rechte AfD erreicht in aktuellen Umfragen elf bis 13 Prozent, SPD und FDP kommen auf zehn bis elf Prozent. Die Linke verfehlt die Fünf-Prozent-Hürde für den Einzug in den Stuttgarter Landtag in den Umfragen mit drei bis vier Prozent. Den Befragungen zufolge könnten die Grünen sowohl weiter mit der CDU als Juniorpartner regieren als auch eine Dreierkoalition mit SPD und FDP bilden.

In Rheinland-Pfalz dürfte das Rennen von Dreyer gegen CDU-Herausforderer und Oppositionschef Christian Baldauf enger werden. Die SPD liegt in den Umfragen bei 30 bis 33 Prozent, die CDU bei 28 bis 29 Prozent. Die Grünen könnten ihr Ergebnis von 2016 auf zehn bis zwölf Prozent mehr als verdoppeln und damit deutlich vor der FDP mit Werten zwischen sechseinhalb und neun Prozent landen. Der AfD drohen mit neun bis zehn Prozent Verluste, die Linke würde mit drei Prozent erneut an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Für eine Überraschung könnten die Freien Wähler sorgen. Die Partei könnte zwei Umfragen zufolge die Fünf-Prozent-Hürde knacken und erstmals in den Mainzer Landtag einziehen. Rechnerisch könnte die derzeit regierende Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen weiterregieren. Reichen könnte es auch für ein Jamaika-Bündnis aus CDU, Grünen und FDP. Eine Große Koalition aus SPD und CDU wäre ebenso möglich, gilt aber als unwahrscheinlichste Option.

Mit ersten Prognosen der Fernsehsender ARD und ZDF wird mit Schließung der Wahllokale um 18.00 Uhr gerechnet, mit ersten Hochrechnungen eine halbe Stunde später. Die vorläufigen amtlichen Endergebnisse werden gegen Mitternacht erwartet. Der Briefwähleranteil dürfte wegen der Corona-Pandemie wesentlich höher liegen als bei bisherigen Wahlen.