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Die Formel 1 startet durch: Das Genie, der Prinz und das Coronavirus

Jagen die Red Bulls um Max Verstappen Serien-Champion Mercedes in dieser Saison den Rang ab?
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Die 72. Formel-1-Saison startet am Wochenende in Bahrain und wird wohl zum Solo für zwei: Max Verstappen (Red Bull) jagt Lewis Hamilton (Mercedes). Ihre beiden Rennställe müssen aber um die Stars zittern.

Von Daniel Suckert

Innsbruck – „Jede Formel-1-Generation hat sechs, sieben sehr gute Fahrer. Dann sind da noch drei außergewöhnliche und es gibt ein Genie“, erklärte niemand Geringerer als Jackie Stewart, seines Zeichens dreifacher Titelträger. Dass Lewis Hamilton das Genie seiner Generation darstellt, dafür sprechen seine sieben WM-Kronen, mit denen sich der Brite 2020 auf eine Ebene mit Rekord-Champion Michael Schumacher gestellt hat. Die Ehe mit Mercedes steht allerdings unter keinem guten Stern mehr.

🏎 Das Genie: „Hamilton ist das Genie. Er holt zu allen Zeitpunkten das Maximum heraus“, bestätigte der Tiroler Franz Tost, der mit 65 Lenzen nach wie vor Teamchef bei AlphaTauri ist. Ermöglicht hat die Liaison Hamilton/Mercedes einst Niki Lauda. Dem 2019 verstorbenen „Niki nazionale“ war vor acht Jahren der Geniestreich gelungen. Der Wiener holte Lewis Hamilton und schickte zugleich einen gewissen Michael Schumacher in die PS-Pension. Ein Tausch, der bei manchem schnell die Augenbraue skeptisch nach oben gehen ließ. Sechs Fahrer-WM-Titel in Silber später fragt keiner mehr kritisch nach.

Auch die Gegenwart gehört mehr denn je dem 36-jährigen „LH“. Eine Ausnahmeerscheinung, die längst über der Sportart steht. Doch genau an dem Punkt tut sich ein Problem auf: Die weltweite Corona-Pandemie hat dem Schlachtschiff Formel 1 ein Loch in den Bug gebohrt. Um das zu stopfen, verordnete sich die milliardenschwere Rennserie eine Budget-Obergrenze. Inklusive einer bald kommenden Gehaltsobergrenze für die Piloten selbst.

Das trifft Hamilton. Der weiß um seinen Marktwert, wollte sich den bei den Vertragsverhandlungen vergolden lassen. Ohne Erfolg. Hohe Gehälter jenseits der 40 Millionen Dollar, ein Mitspracherecht bei neuen Entwicklungen oder zusätzliche Bonuszahlungen im Falle des Konstrukteurs-Titels – das sind Dinge, die mit einem Sparkurs nicht konform gehen und mittelfristig tabu sind. Die Folge? Hamilton unterschrieb nur für ein Jahr bei der Silberflotte. Das Genie soll deshalb nicht zufrieden sein. Es war nie wahrscheinlicher, dass der unermüdliche Vorreiter im Kampf gegen Rassismus im kommenden Jahr nicht mehr durchs Fahrerlager spazieren könnte.

🏎 Der Prinz: Unabhängig davon gibt es mit Max Verstappen den Prinzen, der hochtourig die große PS-Bühne dominieren will. Das Jahrhunderttalent von Red Bull gilt als Jäger Nummer eins des Pakets Hamilton/Mercedes.

Hochtalentiert, gesegnet mit einem Grundspeed und in Zweikämpfen eiskalt – die Vorzüge von „Super Max“ sind unbestritten außergewöhnlich. Und machen die Angelegenheit für Red Bull nicht leichter. Denn der 23-Jährige will nichts weniger als Siege und Titel. Kann man ihm das nicht bieten, muss man um den Verbleib des Niederländers zittern. Wie einst bei Sebastian Vettel beinhaltet auch Verstappens Vertrag eine Leistungsklausel. Die greift, sobald das Arbeitsmaterial nicht passt. Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff könnte davon profitieren: „Max ist hochtalentiert. Ein Mann, über den wir bei Mercedes auch schon nachgedacht haben.“

Max ist hochtalentiert. Ein Mann, über den wir bei Mercedes auch schon nachgedacht haben.
Toto Wolff, Mercedes-Teamchef

🏎 Die große(n) Un- bekannte(n): Hinter dem Duell Hamilton versus Verstappen herrscht ein großes Gedränge. In der Vorsaison gab es einige Cockpit-Rochaden: Der unglückliche Sebastian Vettel wurde bei Ferrari ausgemustert, fand aber bei Aston Martin seine neue Heimat. Und da wäre noch sein ehemaliger Red-Bull-Teamkollege, Daniel Ricciardo. Der „Aussi“ tauschte den Renault-Rennoverall mit dem von McLaren. Dort darf er sich durchaus Hoffnung auf vereinzelte Erfolge machen. Denn der papaya-orange Bolide hat eine Diffusor-Lösung, die kein anderer Konkurrent vorweisen konnte. Die Briten nutzten eine Grauzone im Regelwerk.

Wozu Sergio Perez in einem Top-Team fähig ist, darauf sind nicht nur die Red-Bull-Fans gespannt. Der Mexikaner, der vor allem für seine hohe Fahrintelligenz bekannt ist, soll den internen Druck auf Verstappen erhöhen. Für den 31-Jährigen ist es nach McLaren (2013) der zweite Sprung zu einem solchen Kaliber. Bei den Briten scheiterte „Checo“ an seinem Manko, keine Politik betrieben zu haben. Bei Red Bull wird das keine Rolle spielen, da stehen die Ergebnisse im Vordergrund.

Viele Augen sind auch auf Fernando Alonso gerichtet. Der Allrounder steigt nach zwei Jahren Formel-1-Pause wieder in einen Renault, der seit heuer Alpine heißt. Man darf gespannt sein, wie der Doppelweltmeister die Pause verkraftet hat. Und das mit einer Eisenplatte im Kiefer. Ein schwerer Radunfall hätte beinahe den Saisonstart gefährdet.

In seiner Formel-1-Abstinenz arbeitete der Spanier an seinem Vorhaben, als erst zweiter Pilot die „Triple Crown“ zu ergattern. Den Sieg in Monaco (F1), den Triumph in Le Mans (Langstrecke) und den Erfolg beim Indy500 (IndyCar) hat bisher einzig der legendäre Graham Hill gewonnen. Alonso fehlt bei seinem Vorhaben nur noch der Sieg in Übersee.

🏎 Das Erbe: Nicht abschätzen lässt sich die Entwicklung von Michael Schumachers Sohn Mick. Papa Michael ist seit seinem schweren Ski-Unfall (2013) von der öffentlichen Bildfläche verschwunden. Dafür ist sein Sohn nun Teil der milliardenschweren Rennserie geworden. Beim Nachzügler-Rennstall Haas. Und der verzichtet ausgerechnet in Micks Debütjahr auf technische Entwicklungen am Boliden. Der Grund? Die kostenintensive Auto-Revolution 2022. Die Aussicht auf Punkte scheint also schon vor dem Saisonstart in der Wüste dahin. Auf der anderen Seite kann der 21-Jährige nun unbeschwert und in aller Ruhe Fehler machen. Um vielleicht irgendwann einmal die Schuhe von Papa Michael auszufüllen.

🏎 Das Virus: Natürlich bleibt der Königsklasse das Dauerthema Corona nicht erspart. Ob der Rennkalender mit überambitionierten 23 Grands Prix bestehen bleibt, weiß aktuell noch niemand. Die Königsklasse will die Zuschauermassen zurück an der Rennstrecke – der Ticketverkauf für Spielberg (4. Juli) läuft bereits hochtourig. Am Wochenende in Bahrain werden die Tribünen mit Geimpften und Genesenen gefüllt sein.

📆 Der Rennkalender für die Formel-1-Saison 2021:

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