Mehr Aufgriffe als im Vorjahr: Schlepper trotz Pandemie aktiv
Die Polizei griff 2020 mehr Schlepper und mehr illegale Migranten auf als im Jahr davon. Sorge bereitet den Behörden der Menschenhandel.
Wien – Der Grenzzaun zwischen Serbien und Ungarn ist vier bis fünf Meter hoch. Schlepper versuchen dennoch, ihre Kunden über diese Sperre zu bringen. Das Wie ist eine Frage des Preises, weiß Gerald Tatzgern, im Bundeskriminalamt zuständig für die Bekämpfung der Schlepper. Wer genug zahlt, kann auf einer Leiter hinauf- und auf einer anderen Leiter auf der anderen Seite hinunterklettern. Wer weniger zahlt, muss auf der anderen Seite springen. Männer, Frauen, Kinder. Verletzungsgefahr inklusive.
Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Tatzgern präsentierten gestern den „Lagebericht Schlepperei und Menschenhandel 2020“. Die Eckdaten: In Österreich wurden 311 Schlepper aufgegriffen. Das ist der höchste Wert in den vergangenen fünf Jahren. 2019 etwa waren es 242 Festnahmen.
Die Zahl der geschleppten Personen hat sich 2020 im Vergleich zum Jahr davor verdoppelt, von 2469 auf 4842. Insgesamt wurden 21.641 Personen aufgegriffen, die illegal aufhältig oder illegal eingereist waren.
In Österreich ist 2020 im Gegensatz zur gesamten EU auch die Zahl der Asylanträge gestiegen. Die Statistikbehörde Eurostat verzeichnete einen Rückgang von 631.000 Erstanträgen (2019) auf knapp 417.000 (2020). Das österreichische Innenministerium gibt die Zahl der Asylanträge 2020 mit 14.775 an. 2019 waren es 12,886.
Nehammer macht für diese gegenläufige Entwicklung etwa die Tatsache verantwortlich, dass Ungarn gar keine Asylanträge mehr annimmt, die im Land gestellt werden. Das mache sich in Österreich bemerkbar, aber auch in Bulgarien oder Rumänien.
Schlepperbanden würden Österreich aber auch zunehmend als erstes wohlhabendes Land auf dem Weg nach Europa bewerben, sagt der Innenminister.
Die Pandemie habe die Praxis der kriminellen Schlepper verändert. Sie seien darauf umgestiegen, ihre Kunden mit Lkw zu transportieren. Diese seien trotz der Corona-Reisebeschränkungen unterwegs.
Die Lenker der Lkw wissen aber oft nichts davon. Recht neu sei der Trend, Lkw-Planen von oben her aufzuschlitzen und die Leute dort einsteigen zu lassen, berichtet Tatzgern. Die Polizei setzt auf Autobahnparkplätzen Drohnen ein, um aus der Luft zu erkennen, wenn Lkw beschädigt sind.
Der Innenminister erwartet, dass der Migrationsdruck bleiben werde. Allein in den Ländern des Balkan warteten bis zu 100.000 Menschen darauf, in den wohlhabenden Teil Europas zu kommen.
Verbunden mit der illegalen Migration ist der Menschenhandel, die Ausbeutung von Betroffenen. Tatzgern nennt Bettelei und Sexarbeit. Betroffen macht ihn die große Nachfrage nach sexueller Ausbeutung Minderjähriger. Um diesen Menschen zu helfen, appelliert der Kriminalist an alle, die Augen offen zu halten und Auffälligkeiten zu melden. (sabl)