Straka zu Thiem: „Am Ende des Tages ist er ein Mensch“
Seit rund einer Woche ist Dominic Thiem von seiner verpatzten „Wüsten-Tour“ aus Doha und Dubai in die Heimat zurückgekehrt. Der US-Open-Sieger hat sich den Trip in die „Corona-Bubble“ nach Miami zum dieswöchigen Masters-1000-Turnier erspart und konzentriert sich ganz auf die Sand-Saison. Gleichzeitig gilt es, Wehwehchen auszuheilen und auch ein bisschen etwas für die Seele zu tun.
Denn auch wenn speziell die besten Tennis-Spieler der Welt privilegiert sind: das anhaltende Leben in der „Blase“ mit keinen Zuschauern und auch ohne Familie oder Freundinnen im Umkreis, fordert Tribut. Das ist auch für Thiem-Manager Herwig Straka der vorwiegende Grund für die mauen Leistungen seines Schützlings. „Die Erklärung ist: am Ende des Tages ist er ein Mensch. Menschen haben ihre Stimmungen, sind abhängig von äußeren Gegebenheiten“, erläuterte Straka am Donnerstag im Gespräch mit der APA - Austria Presse Agentur. „Wenn es so wie in Australien ist, dass du wochenlang in Quarantäne gehst, damit du dann vor Publikum spielst und dann wird das wieder ausgeschlossen, dann hat das natürlich einen Effekt.“
Dies betreffe nicht nur Thiem selbst, sondern viele Spieler. So haben sich zuletzt verstärkt Spieler in den sozialen Netzwerken über diverse Unzufriedenheiten geäußert, darunter auch das stark reduzierte Preisgeld. „Die ganze Diskussion und die steigende Aggressivität auch in den Postings hat damit zu tun, dass sie alle unzufrieden sind mit der Bubble-Situation.“ Dass dies in gewisser Weise ein Spiegelbild der Gesellschaft ist, die teilweise auf die verordneten Maßnahmen gegen die Pandemie auch immer gereizter reagiert, verneint der Steirer nicht. „Die Spieler wissen sehr genau, dass sie privilegiert sind, aber es ist Fakt, dass eine Bubble mental ein Wahnsinn ist.“
Zum angeschlagenen Fuß, den Thiem selbst schon vor Doha als ein altes, wiederkehrendes Problem bezeichnet hatte, das fast nur auf Hartplatz auftritt, wollte der Manager wenig sagen. „Da wird er selbst noch Stellung nehmen. Der Fuß, glaube ich, ist ein geringeres Problem in der Situation.“
Neu ist eine kleine Änderung im Turnierplan: Thiem steigt nach Ostern ab 11. April beim Masters-1000-Event in Monte Carlo wieder in die Tour ein, spielt danach aber nicht beim 500er-Turnier in Barcelona, sondern beim 250er in Belgrad. In Spanien wäre Thiem wegen der Absage im Vorjahr eigentlich Titelverteidiger. Danach spielt Thiem Madrid, Rom und die French Open.
In Belgrad wird das Turnier vom Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic quasi mitveranstaltet, die Matches gehen in seinem „Novak Tennis Center“ über die Bühne. Dass es vor Jahresfrist wegen überbordender Zuschauerzahlen bei der „Adria Tour“ an selber Stelle und auch ausgelassenen Partys zu mehreren Coronafällen gekommen ist (darunter Djokovic selbst, Grigor Dimitrow, Borna Coric, Viktor Troicki und „Djoker“-Coach Goran Ivanisevic), hat die Entscheidung nicht erschwert.
„Es hat ihm in Belgrad trotz der Vorkommnisse recht gut gefallen. Man muss nicht immer das gleiche Turnier spielen“, so Straka. Ob er das als Manager gerne sieht? „Wenn ich es nicht unterstützen würde, würde er es nicht machen.“ Der Steirer geht davon aus, dass man bei den Organisatoren aus der Vergangenheit gelernt hat.
Straka ist auch im dreiköpfigen ATP-Board of Directors für viele Entscheidungen mitverantwortlich. Wie sieht er die teils harsche Kritik von Spielern? „Dass viele Spieler öffentlich Kommentare abgeben, ist ihr gutes Recht, aber förderlich ist es nicht. Fakt ist, dass in Pandemiezeiten nicht mehr Geld da ist. Auch wenn die Spieler immer glauben, die Turniere verdienen so viel Geld.“ An der u.a. auch von John Isner geforderten, besseren Transparenz wie es zu den Preisgeld-Adaptionen kommt, weil etwa Miami dank Sponsoren und TV-Werbeverträgen auch ohne Zuschauer gutes Geld lukriere, wird laut Straka gearbeitet.
„Wir sind stolz, dass wir die Tour durchführen. Im Unterschied zu den meisten anderen Sportarten haben wir eine Tour“, erklärt Straka und fügt hinzu: „Die ATP wird immer mit einer NHL oder einer Formel 1 verwechselt. Das sind individuelle Turniere, die sich hintereinander anreihen. Jedes hat eigene Vorschriften und Regulative. Wir tun uns da nicht so leicht, Dinge durchzusetzen.“
Selbst für die vermarktungstechnisch lukrativsten Grand-Slam-Turniere macht es die anhaltende Pandemie finanziell immer schwieriger. Dies verlautete kürzlich ATP-Boss Andrea Gaudenzi. „Ein Jahr ist aushaltbar, aber zwei Jahre hintereinander oder gar drei ist selbst für die Grand Slams ein Problem. Die brauchen auch ‚Sauerstoff‘“, so der Italiener.
Die immer wieder auftauchenden Vorschläge nach einer längeren, lokalen Bubble nach NBA-Vorbild, seien geprüft worden, erklärte Straka. „Im Tennis sind wir global, spielen auf verschiedenen Kontinenten und Zeitzonen. Man würde nicht nur Ticketverkäufe verlieren, sondern auch Sponsoren.“ Es würde nur das Reise-Problem lösen, nicht aber die finanziellen Sorgen.
Straka bemüht sich als Veranstalter auch um die Austragung eines Teils des Davis-Cup-Finalturniers in Innsbruck, war aber über das Ausplaudern von Details vom Tiroler Landesverbandspräsidenten nicht glücklich. „Das verschlechtert unsere Chancen, wenn man Dinge nicht geheim halten kann. Das Bieterverfahren ist sensibel.“ Eine Deadline für die Entscheidung gibt es laut Straka nicht.