„Der große Fake“: Wo sind die Wirecard-Milliarden?
Im Vergleich zur Story ziemlich konventionell geraten: RTL verfilmte den Wirecard-Skandal. Der Doku-Thriller will Fiktion und Realität verbinden.
Innsbruck – „Wir sind die Größten“, prahlt ein Jan Marsalek direkt in die Kamera. Nach dem, was man heute über den Wiener und seine Karriere beim Skandalunternehmen Wirecard weiß, könnte es gut möglich sein, dass der 41-Jährige solche Aussagen tätigte. Fragen kann man ihn aktuell ja nicht. Seit dem Sommer 2020 ist er flüchtig. Bis heute ist der Aufenthaltsort unbekannt. Vor bald einem Jahr flog der große Fake, an dem Marsalek fleißig mitarbeitete, auf: Das schillernde Fintech-Unternehmen vermisst 1,9 Milliarden Euro auf ausländischen Konten. Bis heute ist nicht sicher, ob es diese überhaupt einmal gegeben hat.
Der größte Finanzkrimi der deutschen Geschichte wurde jetzt von Ufa und RTL verfilmt, Franz Hartwig spielt Jan Marsalek. Seit gestern ist „Der große Fake – Die Wirecard-Story“ über den hauseigenen Streamingdienst abrufbar. Ins Free-TV kommt er am 22. April. Und der Fall ist derart spektakulär, dass er Stoff für mehr hat. Sky etwa arbeitet aktuell an einer Serie.
📺 Trailer | „Der große Fake“
RTL prescht vor – das merkt man dem neuen Doku-Thriller aber auch an. So richtig gelungen ist er nämlich trotz guter Besetzung nicht. Neben Hartwig gibt es dort Christoph Maria Herbst, der mit seiner Rolle als „Stromberg“ längst bewiesen hat, dass er den Kotzbrocken in Leitungsposition gut kann, zu sehen. So einen gibt er jetzt auch als Wirecard-CEO Markus Braun. Ein „Genie“, das nach dem Zusammenbruch von Wirecard noch an das System glaubt. Er hat’s ja erfunden.
Woran „Der große Fake“ scheitert, ist die Komplexität der Story. Was ein „Shortseller“ macht und „Ringzahlungen“ genau sind, wird also erst gar nicht geklärt. Dass Wirecard ein Zahlungsabwickler ist und seine Wurzeln im Porno- und Gambler-Umfeld hat, wird klar. Aber nicht viel mehr. Des verwobenen Netzes an Scheinverträgen und Zahlungsflüssen werden die Autoren Raymond und Hannah Ley im halbdokumentarischen Format auch nicht Herr. Manche Interviewpersonen sind real, manche fiktiv – auch wenn alles säuberlich ausgewiesen wird, bleibt am Ende Chaos im Kopf. Der Knackpunkt ist wohl der frühe Zeitpunkt der Veröffentlichung: Auch für Marsalek gilt nach wie vor die Unschuldsvermutung. Und so gerät der Stoff trotz so mancher surrealen Situation ziemlich unspektakulär. Da wird dann nur wichtig aufs Handy geguckt.
Dabei hat man mit Jan Marsalek schon etwas gewagt. Er ist der Erzähler, der den Ton angibt. Zuweilen scheint es, als würde „Der große Fake“ von „Wolf of Wallstreet“ oder „The Big Short“ abschauen wollen. So mutig konnte (und wollte?) man dann aber doch nicht sein. Also bleibt dem Marsalek im Film bloß die Überheblichkeit: „Wir waren die Größten“, kann er am Schluss nur noch resigniert feststellen. (bunt)
Streaming & TV
Der große Fake – Die Wirecard-Story. Jetzt per Stream via TVNow, am 22. April., 20.15 Uhr auf RTL.