Forscher enthüllen Chinas geheimes Schuldenregime
Die Analyse von bisher geheimen Kreditverträgen mit Entwicklungsländern zeigt, wie China über Infrastruktur-Gelder Staaten unter Kontrolle bringt.
Kiel – Forscher haben bisher unbekannte Details über Chinas streng geheime Kreditvergabepraxis an Entwicklungsländer aufgedeckt. Das deutsche Institut für Weltwirtschaft in Kiel hat gemeinsam mit US-Universitäten und anderen US-Instituten 100 Originalverträge chinesischer Gläubiger mit 24 Ländern durchforstet. Viele Kredite sind Teil der chinesischen „Belt and Road Initiative“ – dabei finanziert China weltweit Häfen, Brücken und Staudämme, um seinen Einfluss in der Welt zu steigern.
Die Forscher fanden die – an sich nicht für die Öffentlichkeit bestimmten – chinesischen Kreditverträge auf Regierungswebseiten der Schuldnerländer und verglichen sie mit 142 öffentlich zugänglichen Verträgen anderer großer Gläubigerländer. Die Studie verdeutlicht, wie Peking über Kredite den politischen Einfluss in den Empfängerländern ausbaut und auch deren Innen- und Außenpolitik beeinflusst.
Die Verträge geben demnach China einen großen Spielraum, Kredite zu kündigen oder die Rückzahlung zu beschleunigen, wenn es mit der Politik eines Kreditnehmers nicht einverstanden ist oder wenn es die Interessen einer chinesischen Einrichtung verletzt sieht. Als Argentinien etwa ein von China finanziertes Staudammprojekt stoppen wollte, drohte Peking, Kredite für eine geplante Eisenbahnlinie zu kündigen. Daraufhin ruderte Argentinien zurück.
Die Verträge enthalten auch Bestimmungen, die chinesischen Staatsbanken Vorrang vor anderen Gläubigern geben. So müssen Länder große Barguthaben halten, auf die chinesische Banken bei einem Zahlungsausfall zugreifen können. Meistens wird es Kreditnehmern ausdrücklich untersagt, Schulden in Abstimmung mit anderen Gläubigern umzustrukturieren. Damit liegt das Schicksal der Länder allein in Chinas Händen.
Mitunter sichern sich Chinas Staatsbanken den Zugriff auf Öl-Umsätze (Ecuador, Venezuela) oder andere Rohstoffen wie Bauxit (Ghana), das zur Aluminiumherstellung dient.
Chinas Verträge enthalten auch ungewöhnlich weitreichende Vertraulichkeitsklauseln, die Kreditnehmer mitunter sogar daran hindern, die Existenz der Kredite offenzulegen. Damit sind sie für Steuerzahler intransparent und auch für andere Kreditgeber, die somit die Bonität eines Landes schwer einschätzen können.
„Chinas Praktiken erschweren es Ländern, die sich beispielsweise aufgrund der Corona-Pandemie in einer finanziellen Notlage befinden, ihre Schuldensituation in den Griff zu bekommen“, erklärt Christoph Trebesch vom IfW Kiel. China, das inzwischen mit 400 Mrd. Kreditvolumen zum größten öffentlichen Gläubiger für Entwicklungsländer aufgestiegen ist, müsse endlich mehr Transparenz herstellen. Laut Studien-Mitautor Scott Morris schlägt China in der G20 einen kooperativen Ton an. Doch Kreditklauseln stünden klar im Widerspruch zu den G20-Zielen. (mas)