Opposition hofft bei Parlamentswahl in Bulgarien auf Wandel

Bulgarien hat am Sonntag inmitten der dritten Coronawelle ein neues Parlament gewählt. Die Wahl galt als Referendum über die politische Zukunft des bürgerlichen Ministerpräsidenten Boiko Borissow, der mit einer Unterbrechung seit 2009 regiert. Seiner bürgerlich-populistischen Partei GERB wurden gute Chancen eingeräumt, wieder stärkste politische Kraft zu werden. Sie dürfte aber die absolute Mehrheit verfehlen und wäre damit zum Regieren auf einen Koalitionspartner angewiesen.

Am Nachmittag zeichnete sich eine geringere Wahlbeteiligung als 2017 ab. Die Beteiligung um 15.00 Uhr Ortszeit (14.00 Uhr MESZ) lag bei gut 30 Prozent, wie Gallup International in Sofia mitteilte. Vor vier Jahren hatten um 13.00 Uhr bereits 27 Prozent abgestimmt. Die Wahllokale sollten um 19.00 MESZ schließen. Danach wurden Prognosen auf der Basis von Nachwahlbefragungen erwartet. Insgesamt 6,7 Millionen Stimmberechtigte waren aufgerufen, 240 Abgeordnete für die Volksversammlung in Sofia zu wählen. Angetreten waren knapp 7.000 Kandidatinnen und Kandidaten.

Die aus den früheren Kommunisten hervorgegangenen Sozialisten können damit rechnen, zweitstärkste Kraft zu werden. Ins Parlament dürften bis zu sieben, teils untereinander verfeindete Parteien einziehen. Die Regierungsbildung gilt als kompliziert. Die Opposition aus Sozialisten und Protestparteien forderte die Bürger am Wahltag noch einmal auf, für einen politischen Wandel im ärmsten EU-Land zu stimmen.

Sozialisten-Chefin Kornelia Ninowa bezeichnete die Wahl als „entscheidend“: „Ich habe für Wandel und Stabilität gestimmt“, sagte sie. Auch die regierungskritische Koalition Demokratisches Bulgarien (DB) rief die Bulgaren auf, wählen zu gehen. „Wir sollten hinausgehen und für einen Wandel stimmen“, sagte der DB-Mitvorsitzende Hristo Iwanow. Seine Koalition war Teil der Sommerproteste im vergangenen Jahr mit Korruptionsvorwürfen gegen das bürgerlich-nationalistische Koalitionskabinett von Regierungschef Borissow (GERB).

Gegen die Koalitionsregierung der GERB, die im EU-Parlament zur Europäischen Volkspartei (EVP) gehört, mit den Nationalisten der VMRO als Juniorpartner hatte es im vergangenen Sommer Straßenproteste gegeben wegen Korruptionsvorwürfen. Borissow ist seit 2009 fast durchgängig an der Macht. Der 61-jährige ehemalige Leibwächter des letzten Staatschefs im kommunistischen Bulgarien, Todor Schiwkow, gilt als politischer Überlebenskünstler.

Dass seine Chancen auf eine Wiederwahl aller Kritik zum Trotz gut stehen, dürfte er auch der Umsicht seiner Regierung zu verdanken haben: In den vergangenen Monaten gewährte sie Ärzten, Beamten und Pensionisten großzügige Zulagen - und kann dank der Milliardenhilfen der EU mit großen Infrastrukturprojekten werben.

Da die überwiegend orthodoxen Bulgaren dieses Jahr erst in vier Wochen Ostern feiern, kollidiert die Wahl nicht mit Familienfesten. Bei dem landesweiten Urnengang galten wegen Corona zahlreiche Hygiene-Regeln. In Krankenhäusern und für Menschen unter Corona-Quarantäne gab es mobile Wahlurnen mit Teams in Schutzkleidung. Sie trugen Masken und Helme.