EMA empfiehlt keine Einschränkung von AstraZeneca-Impfstoff

Die Überprüfungen seltener Fälle von Blutgerinnsel nach einer Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff durch Experten in der EU und Großbritannien haben am Mittwoch überraschende Ergebnisse erbracht. Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) stellte zwar fest, dass es sich um Nebenwirkungen des Vakzins handelt, nahm aber keine Änderung an ihrer uneingeschränkten Empfehlung für den Impfstoff vor.

Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich am Mittwoch vorerst für die weitere Verwendung des Impfstoffs ausgesprochen. Nach aktueller Datengrundlage scheine ein Zusammenhang mit Thrombosen zwar plausibel, aber nicht bestätigt, teilten die Experten des Impfkomitees der WHO am Mittwochabend mit. Es bedürfe noch weiterer Studien, um eine mögliche Verbindung zwischen Impfung und etwaigem Risiko zu untersuchen.

Die EU-Gesundheitsminister wollten am Abend in einer außerordentlichen Videokonferenz über die möglichen Risiken im Zusammenhang mit dem Impfstoff von AstraZeneca beraten. Österreich wird nach Auskunft des Gesundheitsministeriums daran teilnehmen. Außerdem tagte das Nationale Impfgremium (NIG) zur aktuellen Stellungnahme der EMA. In der Folge finden Donnerstagvormittag seitens des Gesundheitsministeriums Beratungen mit den Gesundheitsreferenten der Bundesländer zur weiteren Vorgehensweise mit dem Impfstoff statt.

Die britische Impfkommission JCVI (Joint Committee on Vaccination and Immunisation) wollte sich nicht festlegen, was die Ursache der Blutgerinnsel ist. Sie passte jedoch ihre Empfehlung für Menschen unter 30 Jahren an, die nun ein anderes Vakzin verabreicht bekommen sollen, hieß es am Mittwoch.

In Großbritannien sind nach Angaben der Arzneimittelbehörde MHRA bisher 79 Fälle von seltenen Blutgerinnseln nach Impfungen mit dem AstraZeneca-Präparat aufgetreten. Dabei kam es zu 19 Todesfällen. Junge Menschen sind dabei überproportional stark betroffen. Ein direkter Zusammenhang mit dem Impfstoff konnte laut Impfkommission zwar noch nicht nachgewiesen worden. Aber angesichts des geringeren Risikos für jüngere Menschen an Covid-19 zu sterben, habe man diese Abwägung getroffen, hieß es.

„Dies ist ein Kurswechsel“, sagte der medizinische Regierungsberater Jonathan Van-Tam. „Wir hoffen nicht, dass er zu weniger Vertrauen in die Impfstoffe führt.“ Die Vorteile des Impfstoffs würden weiterhin die Risiken für die allermeisten Menschen überwiegen. Außerdem werde man jegliche Nebenwirkungen weiterhin sehr sorgfältig überwachen und prüfen. Premierminister Boris Johnson betonte, Menschen jeden Alters könnten durch die aktualisierte Empfehlung der Experten volles Vertrauen in die Impfstoffe haben.

Die Experten der EMA stellten einen Zusammenhang zwischen Impfstoff und Thrombosen fest, wenn gleichzeitig eine sehr geringe Zahl von Blutplättchen vorhanden war. Dies trete allerdings sehr selten auf. Die Behörde hält damit weiterhin an ihrer Bewertung des Präparates fest. „Der Nutzen des Wirkstoffes bei der Bekämpfung von Covid-19 ist deutlich höher zu bewerten als die Risiken“, sagte EMA-Chefin Emer Cooke am Mittwoch in Amsterdam.

Unklar ist, was für Folgen die EMA-Entscheidung nun für die Impfungen in den EU-Mitgliedstaaten haben wird. Mehrere EU-Länder hatten zuvor den Einsatz des Impfstoffes auf Personen ab 60 Jahre eingeschränkt. Konkret geht es vor allem um seltene Fälle von Blutgerinnseln (Thrombosen) in Hirnvenen nach einer AstraZeneca-Impfung.

Die EMA hatte im März eine Expertengruppe eingesetzt. Sie hatte zunächst keinen Zusammenhang mit der Impfung festgestellt. Die Untersuchung war aber fortgesetzt worden. Die Experten vermuten, dass es sich um eine sehr seltene Immun-Reaktion handelt. Die meisten Fälle waren den Angaben zufolge etwa zwei Wochen nach der Impfung aufgetreten. Anders als in Großbritannien stellten die EMA-Experten keine besonderen Risikofaktoren wie Alter oder Geschlecht fest.

Geimpften riet die EMA, auf das Risiko der sehr seltenen Blutgerinnsel zu achten. Patienten sollten sofort einen Arzt aufsuchen, wenn sie die folgenden Symptome haben: Kurzatmigkeit, Brustschmerzen, Schwellung im Bein, anhaltende Bauchschmerzen, neurologische Symptome einschließlich schwerer und anhaltender Kopfschmerzen oder verschwommener Sicht sowie winzige Blutflecken unter der Haut über die Injektionsstelle hinaus.

Die Häufigkeit gemeldeter Zwischenfälle mit Blutgerinnseln im Gehirn gaben die EMA-Experten am Mittwoch mit ungefähr eins je 100.000 an. Es hänge sehr davon ab, wie gut die Meldesysteme seien. In Österreich hatte das Nationale Impfgremium vergangene Woche die Weiterführung des Impfprogramms mit AstraZeneca empfohlen. AstraZeneca hat immer wieder erklärt, Studien hätten keine erhöhte Thrombose-Gefahr gezeigt.

Der Impfstoff mit dem nunmehrigen Marktnamen Vaxzevria hatte Ende Jänner eine bedingte Marktzulassung für die EU erhalten. Danach ist der britisch-schwedische Hersteller weiterhin verpflichtet, alle Daten zu möglichen Nebenwirkungen weiterzuleiten.

Die WHO hatte am Abend darauf hingewiesen, dass die Vorfälle angesichts von inzwischen weltweit 200 Millionen mit AstraZeneca geimpften Menschen sehr selten seien. Demgegenüber seien inzwischen 2,6 Millionen Menschen im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben. „Die Verabreichung von Impfstoffen basiert auf einer Kosten-Nutzen-Analyse“, so die WHO-Experten. Das Komitee werde nächste Woche erneut beraten.