Umwege zu Bob Dylan und ärgerliche Abstecher aufs Glatteis
Innsbruck – Schon bevor Bob Dylan, als erstem Songwriter überhaupt, 2016 den Literaturnobelpreis zuerkannt wurde, war die Liste von Dylan-Literatur lang. Es gibt hochseriöse poetologische Studien und universitäre Tagungsbände genauso wie spielerische Annäherungen in Form von Erzählungen, Romanen, Reportagen und Gedichten. In wenigen Wochen, am 24. Mai, wird Bob Dylan 80. Aus diesem Anlass ist nun mit „Look Out Kid“ ein weiteres Dylan-Buch erschienen. Herausgeber Maik Brüggemeyer, Redakteur beim Rolling Stone, hat Autorinnen und Autoren eingeladen, von Dylan-Songs inspirierte Geschichten zu schreiben. Eine in der Theorie naheliegende Idee, auf deren praktische Tücken Tino Hanekamp in seinem Beitrag hinweist: Ihn inspirieren Dylan-Lieder lediglich dazu, „nichts über Bob Dylan zu schreiben, über den nun wahrlich schon genug geschrieben worden war“. Er macht es, ausgehend von Dylans „115th Dream“, trotzdem. Benedict Wells kommt zu einer ähnlichen Erkenntnis: Vielleicht sei die „aller-dylaneske Weise, über Bob Dylan zu schreiben, nicht über ihn zu schreiben“.
Michael Köhlmeier, mehr als nur Gelegenheits-Dylanologe, ersinnt für seinen Text ein Zusammentreffen des Sängers mit Schachgenie Bobby Fischer; Stefan Kutzenberger, der im Vorjahr mit „Jokerman“ einen gelungenen Dylan-Roman vorlegte, erinnert an den Oscar-Gewinn des Musikers und denkt sich von dort zu Julia Roberts und von dort nach Wien zu Sigmund Freud. Irgendwie nach Wien führt auch der Text von Judith Holofernes, die als Sängerin der Band Wir sind Helden bekannt wurde. Sie versucht in ihrem Beitrag nicht weniger, als Vladimir Nabokovs „Fahles Feuer“ zu parodieren: Sie übersetzt Dylans Song „I Want You“ eigenwillig bis irreführend – und gerät durch dazugezimmerte Fußnoten vollends aufs Glatteis. Welche zynischen Pseudo-Späße dort warten, soll bis auf Weiteres in einen „long black coat“ des Schweigens gehüllt werden. Nur so viel: Es ist weder witzig noch aufschlussreich, sondern ärgerlich. (jole)
📚 Anthologie Maik Brüggemeyer: Look Out Kid: Bob Dylans Lieder, unsere Geschichten. Ullstein Verlag, 272 Euro, 18,90 Euro.