Russland begrüßt Bidens Wunsch nach Deeskalation
Der Kreml in Moskau begrüßt trotz neuer Sanktionen aus Washington die Ankündigung von US-Präsident Joe Biden, die Spannungen zwischen beiden Ländern nicht weiter zu verschärfen. Kremlchef Wladimir Putin habe wiederholt erklärt, dass Russland zum Ausbau der Gespräche bereit sei, wenn andere ebenso dazu bereit seien, sagte Sprecher Dmitri Peskow am Freitag der Agentur Interfax zufolge.
Putins überzeugte Position sei, dass die Beziehungen zwischen Ländern nicht eskalieren sollten. „In dieser Hinsicht ist es positiv, dass die Ansichten beider Staatschefs übereinstimmen“, sagte Peskow.
Biden hatte zuvor gesagt: „Die USA sind nicht darauf aus, einen Kreislauf der Eskalation und des Konflikts mit Russland einzuleiten.“ Er drohte Moskau aber zugleich mit weiteren Maßnahmen, sollte sich „Russland weiterhin in unsere Demokratie“ einmischen. Als Vergeltung für Russland zugeschriebene Hackerangriffe und Einmischungen in die US-Wahlen hatten die USA am Donnerstag zehn russische Diplomaten ausgewiesen und eine Reihe neuer Sanktionen verhängt.
Das russische Außenministerium nannte die Handlungen der amerikanischen Seite danach „inakzeptabel“ und kündigte eine scharfe Reaktion an. Peskow sagte nun: „Das Prinzip der Gegenseitigkeit in solchen Angelegenheiten wurde nicht aufgehoben.“ Die Entscheidung darüber werde aber von Putin getroffen. Am Freitagnachmittag hieß es, Russland habe den US-Botschafter über die Reaktion auf die amerikanischen Sanktionen informiert. Einzelheiten wurden nicht genannt.
Die Beziehungen zwischen beiden Ländern sind seit langem angeschlagen. Biden hat Putin aber diese Woche in einem Telefonat ein Gipfeltreffen noch im Sommer angeboten. Dieses soll in einem „Drittland“ stattfinden, wobei sich auch Österreich öffentlich als Gastgeber angeboten hat. Der jüngste Präsidentengipfel fand im Sommer 2018 in der finnischen Hauptstadt Helsinki statt.
In Moskau informierte US-Botschafter John Sullivan bei einem im Vorfeld anberaumten Termin Vize-Außenminister Sergej Rjabkow über die Strafmaßnahmen, wie er mitteilte. Neben der Ausweisung von zehn Diplomaten geht es auch um Wirtschaftssanktionen, wobei insbesondere russische Staatsanleihen im Visier sind.
Russische Außenpolitiker sagten, dass Russland „spiegelgenau“ reagieren und im Gegenzug ebenfalls zehn US-Diplomaten ausweisen werde. Der Außenpolitiker Leonid Sluzki sagte, dass es vor diesem Hintergrund schwierig sei, über Perspektiven eines Treffens Putins mit Biden zu sprechen. Sanktionen würden keinen „konstruktiven Ton“ für solche Gespräche setzen, sagte der Chef des Auswärtigen Ausschusses im russischen Parlament. Im Kreml hieß es dazu nun, dass Sanktionen für solche Gipfelpläne nicht hilfreich seien.
Auf die russische Wirtschaft hätten die neuen US-Sanktionen keine Auswirkungen, meinte der Senator Wladimir Dschabarow im Föderationsrat in Moskau. Auch würden die westlichen Investoren Schlupflöcher finden, um weiter in die attraktiven russischen Staatsanleihen zu investieren. Experten wiesen zudem auf die vergleichsweise geringe Auslandsverschuldung Russlands hin, weshalb das Land keine dramatischen Folgen befürchten müsse.
Die Finanzbehörden in Moskau kündigten bereits Schritte an, um die Risiken für Investoren zu minimieren. Die neuen Sanktionen würden zunächst vor allem die Arbeit von US-Banken in Russland erschweren, meinte der Chef der Vertretung der Amerikanischen Handelskammer in Moskau, Alexis Rodzianko. Langfristig könne es Russland schwerer haben, sich Geld am Markt zu leihen.
Etwa ein Viertel der russischen Schuldentitel seien in der Hand ausländischer Investoren, sagte ein ranghoher Vertreter der US-Regierung. Das Verbot werde sich nicht nur auf US-Banken auswirken, sondern einen „weitergehenden abschreckenden Effekt haben“. Das Handelsverbot bezieht sich auf den Primärmarkt für Rubel-Anleihen und für Titel in Fremdwährungen, also zum Beispiel Euro oder US-Dollar. Der Präsident habe „maximale Flexibilität“, das Verbot bei Bedarf zu verschärfen, warnte er.
Russland müsse wissen, dass die USA „ihre nationalen Interessen verteidigen“ und Moskau für feindliche Handlungen bestrafen werden, teilte das Weiße Haus mit. Die NATO-Partner unterstützten die US-Sanktionen. „Wir stehen solidarisch an der Seite der Vereinigten Staaten“, heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung.
Sechs russische Technologiefirmen, die Moskaus Geheimdienste unterstützen, werden demnach mit Sanktionen belegt. Zudem würden 32 Personen und Organisationen sanktioniert, die auf Moskaus Geheiß versucht hätten, die US-Wahlen zu beeinflussen, teilte das Weiße Haus mit. Acht weitere Personen oder Firmen würden in Absprache mit US-Verbündeten, darunter der Europäischen Union, wegen Russlands anhaltender Besetzung der Schwarzmeer-Halbinsel Krim mit Sanktionen belegt. Die transatlantische Gemeinschaft stehe vereint zur Ukraine und fordere Russland auf, den jüngsten Truppenaufmarsch entlang der Grenze und seine aggressive Rhetorik zu stoppen, hieß es.
Die Sanktionen sollen unter anderem Vergeltung für einen massiven Hackerangriff auf Ministerien, Behörden und Firmen in den USA sein, hinter dem amerikanische Sicherheitsbehörden Russland vermuten. Die Angreifer hatten sich Zugang zu den Netzen über vielerorts genutzte Wartungssoftware der Firma SolarWinds verschafft und waren über Monate unentdeckt geblieben. Der im Dezember bekannt gewordene Fall war ein peinlicher Rückschlag für amerikanische Sicherheitsdienste.
Das Weiße Haus erklärte, die USA machten nun offiziell den russischen Auslandsgeheimdienst SWR für den Hackerangriff verantwortlich. Der Cyberangriff habe Russland die Möglichkeit gegeben, weltweit mehr als 16.000 Computersysteme auszuspionieren oder zu stören. Der SWR wies das zurück.
Die US-Regierung verhängt auch Maßnahmen wegen eines angeblich von Russland ausgelobten Kopfgelds, das Terroristen in Afghanistan zu Angriffen auf US-Soldaten ermuntern sollte. Diese Handlungen würden aber nur auf militärischem und diplomatischem Weg sowie durch die Geheimdienste kommuniziert, weil es dabei auch um die „Sicherheit und das Wohlergehen“ der US-Truppen gehe, erklärte das Weiße Haus.