Zunehmend Langzeitfolgen nach Covid-Erkrankungen

Nach mittlerweile bereits rund 600.000 Fällen einer bestätigten SARS-CoV-2-Infektion zeigen sich - vor allem bei schwer Erkrankten - zunehmend die möglichen Langzeitfolgen. „Wir müssen uns auf eine erhebliche Zahl von Long-Covid-Syndrom-Patienten einstellen. Diese Menschen müssen langfristig betreut werden“, sagte die Wiener Allgemein- und Arbeitsmedizinerin Margit Winterleitner gegenüber der APA. Erfahrungen hat sie bereits mit rund 100 solcher Patienten gesammelt.

„Begonnen hat es mit meinem ersten derartigen Patienten, das war im August/September 2020. Der war schwerkrank, wollte mit seiner Covid-19-Infektion aber keinesfalls ins Spital. ‚Ich sterbe lieber‘, hat er gesagt. Ich habe ihn außerhalb des Krankenhauses, auch mit Sauerstofftherapie, versorgt. Und dann hatte er kein Fieber mehr, der Zustand hatte sich gebessert. Aber der Patient verlor Gewicht, er hatte kaum Leistungsfähigkeit, er konnte die Stiegen nicht mehr hinaufgehen“, berichtete die Ärztin.

Der Betroffene hatte lange Zeit bleibende Symptome. „Im November hat er noch einmal einen Rückfall gehabt. Da ist er dann doch noch ins Krankenhaus gegangen. Er wurde erst im Jänner - halbwegs wiederhergestellt - entlassen“, erzählte die Ärztin. „Mittlerweile überschaue ich circa 100 Patienten mit Covid-Erkrankungen.“ Die Betriebsärztin ist Mitbegründerin und Mitarbeiterin der Plattform „Corona Patienten Österreich“, die vor kurzem auf Initiative des Bundesverbandes Selbsthilfe Österreich mit Angelika Widhalm als Präsidentin gegründet worden ist.

Mittlerweile werden laut Angelika Widhalm mit dem Long-Covid-Syndrom bereits rund 300 Symptome- und Beschwerdekonstellationen in Verbindung gebracht. Margit Winterleitner über ihre Erfahrungen: „Die Lungenbeteiligung steht im Vordergrund. Da ist das Symptom die Luftnot. Dann gibt es Schmerzen, Abgeschlagenheit, Kraftlosigkeit. Die Luftnot ist nicht so akut, sie schleicht sich langsam ein. Und dann gibt es auch die psychischen Folgen. Diese Menschen sind richtig traumatisiert.“ Man müsse davon ausgehen, dass etwa zehn Prozent der Patienten nach einer schweren Covid-19-Erkrankung mit deutlichen Einschränkungen in der Leistungsfähigkeit konfrontiert seien.

Kernpunkt ist oft eine sich aus der viralen Lungenentzündung durch Covid-19 ergebende Lungenfibrose mit in dem Organ entstehenden Narbengewebe. Zu Beginn der Covid-19-Pandemie seien die Patienten oft noch ohne weitere Hilfe bzw. Reha-Angebote aus den Krankenhäusern entlassen worden. „Das hat sich gebessert. Jetzt wird zumeist vor der Entlassung aus dem Krankenhaus noch eine Spirometrie (umfassende Lungenfunktionsprüfung; Anm.) gemacht. Die Patienten bekommen auch Reha-Aufenthalte“, sagte die Ärztin.

Wichtig sei aber auch psychologische Unterstützung. Das helfe beim sogenannten Fatigue-Syndrom, das Betroffene aufweisen können. Das Bewusstsein, plötzlich für längere Zeit oder gar für immer nicht mehr so leistungsfähig zu sein wie vor der SARS-CoV-2-Infektion sei sehr belastend. „Long-Covid kann eine chronische Erkrankung sein. Wenn sich eine starke Lungenfibrose entwickelt hat, wird das wohl nicht mehr ganz gut“, sagte die Ärztin. Medikamentös stünden vor allem jene Arzneimittel zur Verfügung, wie sie auch bei der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) verwendet werden. „Aber ob sich eine Fibrose wieder komplett zurückbildet, ist nicht so klar. Das Ganze ist eine Gratwanderung“, erklärte Winterleitner. Zum Reha-Programm für solche Fälle gehört auch ein atemphysiologisches Training, um den Betroffenen „richtiges“ Atmen und auch Training beizubringen.

In Österreich sollte sich laut der Expertin auch die Arbeitswelt auf diese Menschen einstellen, die schwere Covid-19-Erkrankungen mit möglichen Spätschäden überstanden haben: „Es ist schon davon auszugehen, dass so etwa zehn Prozent stärker eingeschränkt bleiben.“ So gebe es Betroffene, die nach einigen Stunden Arbeit völlig ausgepowert seien. „Die können zum Beispiel am Nachmittag nicht mehr. Denen muss man helfen, indem man ihnen bestimmte schwere, stressige Arbeiten dann abnimmt. Ich habe einen Patienten, der in einer EDV-Firma arbeitet. Er hat eine längere Pause zwischen 11.00 Uhr und 13.00 Uhr zugestanden bekommen. Da müssen auch Arbeitsabläufe angepasst werden“, sagte Winterleitner.

„Corona Patienten Österreich“ will Betroffene, Ärzte, Krankenkassen und Gesundheitspolitik zusammenbringen, um ein Netzwerk für an Long-Covid-19-Leidende zu bilden, in dem ihre Bedürfnisse besser abgedeckt werden können. Das könnte auch eine Vorsorge für die Zukunft sein. Die Wiener Arbeitsmedizinerin: „Die langfristigen Folgen von Covid-19 sind noch nicht wirklich absehbar. Es wird wohl auch Menschen geben, die mit einer ersten Erkrankung kein Problem gehabt haben, aber ein zweites Mal erkranken.“

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