Mehr als 100 Festnahmen bei Nawalny-Protesten in Russland

Bei Protesten gegen die Inhaftierung des Kremlgegners Alexej Nawalny hat es in Russland erste Festnahmen gegeben. Das Bürgerrechtsportal Owd-Info zählte am Mittwochnachmittag schon mehr als 100 Fälle - darunter in mehreren sibirischen Städten, wo die Menschen aufgrund der Zeitverschiebung schon Stunden früher auf die Straßen gingen als etwa in Moskau. Zuvor waren bereits zwei enge Mitarbeiterinnen Nawalnys in Polizeigewahrsam genommen worden.

Seine Pressesprecherin Kira Jarmysch wurde laut ihrer Anwältin am Mittwochvormittag von Beamten in ihrem Hauseingang in Moskau aufgegriffen, als sie gerade einkaufen gehen wollte. Die Juristin Ljubow Sobol, ebenfalls eine Vertraute Nawalnys, wurde ihrem Anwalt zufolge von Polizisten aus einem Taxi gezerrt und weggebracht.

Videos aus Irkutsk zeigten eine große Menschenmenge, die „Freiheit für Alexej Nawalny“ rief und den Rücktritt von Präsident Wladimir Putin forderte. Dieser hatte kurz zuvor in Moskau seine Rede zur Lage der Nation gehalten. In Nowosibirsk gingen einem lokalen Medienbericht zufolge rund 4.000 Menschen auf die Straße.

Nawalnys Team hatte in mehr als 200 russischen Städten spontan Proteste angekündigt, weil sich der Gesundheitszustand des 44-Jährigen im Straflager massiv verschlechtert haben soll. Der Oppositionelle, der im vergangenen Sommer nur knapp einen Giftanschlag überlebte, klagt bereits seit längerem über starke Rückenschmerzen und Lähmungserscheinungen in Arm und Bein. Aus Protest gegen mangelnde medizinische Versorgung ist er vor rund drei Wochen in einen Hungerstreik getreten.

In mehreren russischen Städten riegelten Behörden vor den geplanten Protesten die Stadtzentren ab. In der Hauptstadt Moskau wurden schon Stunden vor der für den Abend geplanten Demo auf zentralen Plätzen Absperrgitter aufgestellt. Zuvor hatte die Stadt eindringlich vor einer Teilnahme an den nicht genehmigten Kundgebungen gewarnt.

Anfang des Jahres waren bei ähnlichen Protesten russlandweit Tausende Nawalny-Unterstützer festgenommen worden. Das harte Vorgehen der russischen Behörden war damals international teils heftig kritisiert worden. „Wie üblich meinen sie, dass es keinen Protest geben wird, wenn sie die ‚Anführer‘ isolieren“, sagte Leonid Wolkow, ein enger Vertrauter Nawalnys. „Das ist natürlich falsch.“ Ein anderer Nawalny-Anhänger twitterte: „Im Moment werden in ganz Russland potenzielle Demonstranten verhaftet. Das ist Unterdrückung. Das kann nicht akzeptiert werden. Wir müssen gegen diese Dunkelheit kämpfen.“

Die Grüne Sprecherin für Außenpolitik und Menschenrechte, Ewa Ernst-Dziedzic, verurteilte die Vorgänge. „Nicht genug damit, dass der Kreml Oppositionelle mithilfe einer willfährigen Justiz zum Schweigen bringen will, er will auch jene mundtot machen, die ihre bürgerlichen Rechte wahrnehmen und ihren Unmut gegen diese schreiende Ungerechtigkeit öffentlich kundtun“, erklärte Ernst-Dziedzic in einer Aussendung: „Wer die Legitimität von Präsident Putin in Frage stellt, den trifft die volle Härte des Staatsapparats. Mit Eisenstäben und Knüppeln wird es dem Langzeitherrscher auf Dauer aber nicht gelingen, die gesellschaftlichen Dissonanzen verstummen zu lassen.“