45 Tote bei Massenpanik auf Fest in Nord-Israel
Nach einer Massenpanik mit mindestens 45 Toten hat Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine umfassende Untersuchung angekündigt. Eine solche Katastrophe dürfe sich nicht wiederholen, sagte er nach Angaben seines Büros am Freitag im Wallfahrtsort Meron im Norden des Landes. „Es gab hier herzzerreißende Szenen.“ Der 71-Jährige sprach von einer der größten Katastrophen des Staates Israel. Für Sonntag kündigte er einen nationalen Trauertag an.
Weltweit bekundeten Menschen ihr Mitgefühl. „Österreich steht in dieser Stunde der Trauer und des Schmerzes an der Seite von Israel“, twitterte Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) drückten den Hinterbliebenen ebenfalls ihr Beileid aus. Der Präsident der Israelitischen Religionsgesellschaft, Oscar Deutsch, schrieb: „Ein fröhlicher Feiertag, der jedoch für Dutzende Menschen in Meron tödlich endete.“
Mindestens 45 Menschen sind nach offiziellen Angaben bei der Massenpanik während eines religiösen Festes gestorben. Nach Angaben Netanjahus sind unter ihnen auch Kinder. Rund 150 Menschen wurden nach Angaben der Rettungskräfte verletzt, einige von ihnen schwer. In Tel Aviv spendeten Hunderte Blut für die Opfer.
Tausende - vor allem Strengreligiöse - hatten am Donnerstagabend auf dem Meron-Berg den jüdischen Feiertag Lag Baomer begangen. Die Behörden hatten die Teilnehmerzahl auf 10.000 begrenzt, nach Medienberichten reisten aber bis zu zehnmal mehr Menschen an. In sozialen Netzwerken war vor dem Unglück in Videos zu sehen, wie die Menschen dicht gedrängt und ausgelassen sangen, tanzten und hüpften. Augenzeugen berichteten von gefährlichem Gedränge.
Die Polizei nahm Ermittlungen zur Ursache des Unglücks auf. Nach ersten Erkenntnissen begann die Panik, als Menschen auf einer abschüssigen Rampe mit Metallboden und Wellblech-Trennwänden auf beiden Seiten ins Rutschen kamen. Die dicht gedrängten Feiernden fielen dann übereinander. Viele wurden erdrückt. Ein Sprecher des Rettungsdienstes Zaka sprach von einem „unerträglichen Ereignis“.
Am Freitag wurden erste Vorwürfe gegen die Polizei laut. Sie habe Leute in das abgesperrte Areal gelassen, obwohl es schon extrem voll gewesen sei. Nach Beginn der Panik habe die Polizei dann nicht schnell genug Ausgänge auf der anderen Seite geöffnet, so die Kritik. Insgesamt waren rund 5.000 Sicherheitskräfte im Einsatz.
Die Verletzten wurden in umliegende Krankenhäuser gebracht, einige auch per Rettungshubschrauber. Selbst Soldaten waren im Einsatz, darunter eine Eliteeinheit der Armee. Die Polizei sperrte Zufahrtsstraßen und räumte das Gelände. Berichten zufolge weigerten sich in der Früh Hunderte Gläubige zu gehen, weil sie beten wollten. Es sei auch zu Konfrontationen gekommen. Der Polizei zufolge gab es Probleme mit dem Handyempfang, viele verzweifelte Menschen konnten Angehörige in Meron telefonisch nicht erreichen.
Ein Zaka-Sprecher sagte im Fernsehen, viele Kinder seien von ihren Eltern getrennt worden. Man bemühe sich, sie wieder zusammenzuführen. „Ich bin seit mehr als 20 Jahren beim Rettungsdienst, so etwas habe ich noch nie gesehen“, sagte er. „Das sind unfassbare Zahlen.“ Viele Opfer sollten am Freitag noch vor Beginn des jüdischen Ruhetags Sabbat begraben werden.
Lag Baomer ist ein Fest, bei dem unter anderem an den jüdischen Aufstand gegen die römischen Besatzer unter Rebellenführer Bar Kochba erinnert wird. Er war im Jahre 132 ausgebrochen und rund drei Jahre später niedergeschlagen worden. Der Überlieferung nach endete an dem Tag von Lag Baomer eine Epidemie, an der damals zahlreiche jüdische Religionsschüler gestorben waren.
Rabbi Schimon Bar Jochai, der auch an dem Aufstand gegen die Römer beteiligt war, liegt auf dem Meron-Berg begraben. Sein Grab ist ein Wallfahrtsort, den an dem Feiertag jedes Jahr Tausende besuchen. Traditionell werden dann auch Lagerfeuer angezündet. Im vergangenen Jahr waren die Feiern wegen der Corona-Pandemie stark eingeschränkt worden, doch inzwischen sind die Infektionszahlen deutlich gesunken und die Regeln gelockert worden.