Burgtheater bekommt Klima- und Photovoltaik-Anlage

Alle sperren auf, nur die „Spielstätte Burgtheater“ nicht. Die bekommt eine neue Bestuhlung und eine Klimaanlage. Im Interview mit der APA erklärt der kaufmännische Geschäftsführer Robert Beutler das Dilemma einer ständigen Verschiebung dringend notwendiger Arbeiten in der Hoffnung, bald spielen zu dürfen - bis zu dem Zeitpunkt, wo man spielen könnte, die Arbeiten aber bereits beauftragt hat. Den Strom für die Klimaanlage soll eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach liefern.

APA: Herr Beutler, sollen wir mit oder ohne Maske sprechen?

Beutler: Wir halten es im Haus streng, auf allen Verkehrswegen ist Maskenpflicht, aber in Gesprächssituationen, wo wir Abstand halten und lüften können, ist es immer eine Abschätzung der Situation. Wir haben regelmäßige Testungen, als großes Haus mit 530 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hatten wir auch den einen oder anderen Fall bzw. Verdachtsfall, aber Gott sei Dank keinen Cluster und keine dramatischen Auswirkungen. Ich persönlich hatte COVID-19 im November. Bei mir hat es sich mit Geruchlosigkeit und Verlust des Geschmacks ausgewirkt. Der Geschmack ist komplett wiederhergestellt, der Geruch ist weitgehend wieder da. Vermutlich ist die Ansteckung über die Schule eines meiner Kinder passiert, also über den privaten Rahmen. Betriebliche Ansteckungen haben wir in keinem einzigen Fall nachweisen können.

APA: Ihr Amt haben Sie am 15. Jänner 2019 angetreten. Sie hatten also streng genommen noch keine einzige komplette normale Saison als kaufmännischer Geschäftsführer des Burgtheaters. Reicht Ihnen das Trouble Shooting schon?

Beutler: Es gibt zwei Hauptaufgaben: Den Betrieb mit seinen komplexen Abläufen innerhalb des vorhandenen Budgets und der gesetzlichen Rahmenbedingungen zu koordinieren, und dabei im Hochleistungs-Projektbetrieb den Boden für zwei Dutzend Premieren mit vielen Beteiligten zu bereiten. Jede unvorhergesehene Einwirkung ist da ein zusätzliches Element, das uns zusätzlich herausfordert. Wenn wir tatsächlich am 19. Mai aufsperren dürfen, wird Martin Kušej in seinen ersten zwei Saisonen ziemlich exakt acht Monate in Summe im Spielbetrieb erlebt haben.

APA: Viele waren überrascht, dass alle öffnen, sobald sie dürfen, nur die „Spielstätte Burgtheater“ wird wegen Baumaßnahmen geschlossen bleiben. Wie erklärt man das all‘ jenen, die sich danach gesehnt haben, wieder ins Burgtheater zu gehen, sobald sie dürfen?

Beutler: Wir freuen uns über alle, die sich danach sehnen und zu uns ins Theater strömen. Das Akademietheater, unsere zweitgrößte Spielstätte, wird in den ersten drei Wochen gleich fünf Premieren herausbringen, das Vestibül wird zwei Premieren haben, das Kasino eine. Ich verstehe, dass es verstörend ist, wenn man nur hört: ‚Das Burgtheater sperrt nicht auf!‘ Deshalb bin ich sehr froh über jede Gelegenheit, das zu erklären. Wir bauen u.a. eine Klimaanlage ein, denn die Luftansauganlage im Volksgarten saugt an immer mehr Tagen 35 Grad warme Luft an und bläst sie in den Zuschauerraum - wir spüren hier tatsächlich den Klimawandel. Die neue Anlage wird einen wesentlichen Beitrag zum besseren Komfort im Zuschauerraum leisten. Der andere Aspekt ist: Die Bestuhlung im Burgtheater ist über 30 Jahre alt, und immer wieder gab es massive Probleme mit den alten Theatersesseln. Die Bestuhlung in Parkett und Parterre muss daher dringend ausgetauscht werden. Wir heben dabei den Sitzabstand von derzeit teilweise 74 Zentimeter generell auf 85 Zentimeter Minimum an und erneuern dabei die getreppte Bodenplattung mit der Lüftung unmittelbar darunter. Es wird also einer der größten Eingriffe seit dem Bombentreffer des Zweiten Weltkriegs.

In einem normalen Jahr hätten wir mit extremen Zeitdruck drei Monate dafür eingeplant und ganz bewusst gesagt, wir schließen Mitte Juni und öffnen erst Mitte September. Das war der Plan. Zum Zeitpunkt der sogenannten Osterruhe, als ein harter Lockdown verkündet wurde, der uns jede Perspektive genommen hat, dass wir in dieser Saison noch einmal spielen werden, haben wir uns entschlossen, die Arbeiten vorzuziehen. Nur damit können wir sicherzustellen, dass wir schon Anfang September wieder aufsperren können. Natürlich hätten wir gerne schon am 3. November, als alles wieder zusperren musste, die Arbeiten vorgezogen, aber erinnern wir uns an die Etappen der angekündigten möglichen Wiedereröffnungen: 7. Dezember, 7. Jänner, 18. Jänner, 1. Februar, Anfang April, nach Ostern, Mitte April, Anfang Mai. Jetzt haben wir den 19. Mai als Perspektive - und auch da warten wir derzeit noch auf die letztendliche „Freigabe“ durch den Bürgermeister. Diese kurzen Abschnitte haben natürlich keine mittelfristige Planung ermöglicht. Hinzu kamen die Rahmenbedingungen einer europaweiten Ausschreibung.

APA: Warum hat man der Öffentlichkeit nicht rechtzeitig kommuniziert, auf welches Dilemma man da zusteuert? Direktor Kušej hat ja immer erklärt: Wir wollen spielen!

Beutler: Wir haben ganz sicher nichts bewusst verheimlicht. Die Schließung ab 15. Juni hatten wir in unseren Plänen und daher ab dem Zeitpunkt keine Abonnements mehr aufgerufen. Natürlich wollen wir spielen, deshalb haben wir zum Beispiel frühzeitig Kontakt mit Bregenz aufgenommen, ob wir dort ein Gastspiel zeigen dürfen. Es ist ein gemeinsamer Wunsch von Martin Kušej, der Holding und der Staatssekretärin, dass man in den Bundesländern präsenter ist, und wir haben hier einen wichtigen ersten Schritt gesetzt für eine langfristige Zusammenarbeit mit den Bundesländern. Martin Kušej ist einer der größten Unterstützer, aber auch einer der größten Leidtragenden dieses Umbaus, weil er hier keine Bühnenproben mit „Maria Stuart“ haben kann.

APA: Hätte man nicht schon psychologisch alles daran setzen müssen, ein anderes Signal zu setzen - und den geplanten Umbau nach hinten verschieben? Vielleicht nicht gerade nach dem Motto „Koste es, was es wolle“, aber nach dem Motto „Das ist es uns wert“.

Beutler: Natürlich müssen wir auch psychologische Momente mitbedenken, aber es gibt eben auch andere Fakten. Wir dürfen jetzt öffnen - mit 50 Prozent Belegung. Wir alle hoffen, dass im Herbst schon deutlich mehr geht. Langfristige Verschiebungen sind ausschreibungstechnisch nicht leicht.

APA: Wie verträgt sich eine Klimaanlage mit dem Gedanken des Green Producing, der auch im Kulturbereich ein immer wichtigeres Thema wird?

Beutler: Wir wollen diese Klimaanlage nicht durchgehend laufen lassen, sondern nur dann, wenn die Temperaturen im Sommer unerträglich werden. Weil eine Klimaanlage zusätzlichen Strom braucht, werden wir eine Photovoltaik-Anlage aufs Dach setzen. Wir hatten dazu bereits Termine mit Expertinnen und Experten inklusive Bundesdenkmalamt. Die Klimaanlage wird nur 75 Prozent dessen verbrauchen, was diese Photovoltaik-Anlage produzieren kann. Wir werden also darüber hinaus noch weiteren Strom für den Eigenbedarf produzieren.

APA:; Das vergangene Geschäftsjahr hat das Burgtheater dank Auflösung von Reserven mit einem Plus von 5 Mio. Euro abgeschlossen. Wie ist die finanzielle Lage derzeit, inklusive Coronahilfen und Coronakosten?

Beutler: Wir sind aktuell noch sehr solide aufgestellt mit der einen oder anderen Rücklage, mit der wir im Normalbetrieb auch noch über das nächste Jahr kommen. Wie bei allen Bundestheatern steigen auch im Burgtheater durch den kollektivvertraglichen Gehaltsabschluss der Bundesbediensteten die Personalkosten, die Subventionszahlungen bleiben jedoch gleich. Es ist jedem klar, dass sich das mittelfristig nicht mehr ausgehen kann. Die Coronakrise hat uns diesbezüglich - verkürzt versagt - nicht genützt und nicht geschadet. Durch die Kurzarbeitshilfen decken wir unsere Einnahmenausfälle ab, die ja nicht nur die Karteneinnahmen, sondern auch Einnahmen von Gastspielen betreffen.

APA: Mit welcher Auslastung kalkulieren Sie die nächste Saison?

Beutler: Das diskutieren wir gerade. Ich kann nicht sagen, ob die 50 Prozent Sitzplatzkapazität, die uns jetzt in Aussicht gestellt wurde, im Herbst noch aktuell sein wird. Ich würde schätzen, dass wir bis zum Kalenderjahresende mit einer reduzierten Anzahl an Plätzen rechnen müssen. Mit der höheren Durchimpfung zum Jahreswechsel sollten wir höher gehen können. Dank der Lüftungsanlagen in all unseren Spielstätten ist die Aerosolverteilung keine Gefahr für unser Publikum. Es gibt wissenschaftliche Studien, die zeigen, dass in Konzertsälen und Theaterräumen, die solche Belüftungskonzepte haben, keine Ansteckung möglich ist. Danach gibt es beim Konzertbesuch mit Mund-Nasenschutz sowie ausreichender Frischluftzufuhr über eine raumlufttechnische Anlage praktisch keine Beeinflussung durch Aerosole auf allen Nachbarplätzen. Großes Raumvolumen sorgt für starke Verdünnung von belasteten Aerosolen, durch Zu- und Abluftbetrieb ohne Umluftfunktion werden Aerosole effektiv abtransportiert und können sich nicht anreichern. Im Akademietheater beträgt die Lüftungsleistung 14.614 Kubikmeter pro Stunde. Das ergibt für 250 Besucherinnen und Besucher 58,5 Kubikmeter Frischluft pro Person pro Stunde. Derzeit müssen wir laut Wiener Verordnung 35 Kubikmeter Frischluft pro Person und Stunde zur Verfügung stellen. Im Burgtheater schaffen wir 80 Kubikmeter. Unter diesem Aspekt könnten wir im Burgtheater voll belegen und noch Schoßplätze auf jedem einzelnen Platz vergeben. (schmunzelt) Aber wir werden das natürlich nicht tun.

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

ZUR PERSON: Robert Beutler wurde 1971 geboren und studierte Betriebswirtschaft und Kunstgeschichte. Er war in Großbritannien und Wien als Bereichsleiter (USA, UK, CDN) für die Lift Systeme AG bzw. Lift UK Ltd. tätig, war Geschäftsführer des archäologischen Parks Carnuntum BetriebsgmbH, des Landestheaters NÖ BetriebsgmbH und der Theater Baden BetriebsgmbH. 2014 wurde er stellvertretender kaufmännischer Geschäftsführer der Burgtheater GmbH. Seit 15. Jänner 2019 ist er dort kaufmännischer Geschäftsführer.

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