VfGH beantragt bei Van der Bellen Exekution im Finanzressort

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) setzt in den Auseinandersetzungen über Einsicht in Korrespondenzen im Ibiza-U-Ausschuss einen ungewöhnlichen Schritt: Der Gerichtshof hat am Donnerstag bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Exekution einer seiner Entscheidungen im Finanzministerium beantragt. Denn Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) ist bisher der Aufforderung, dem U-Ausschuss bestimmte E-Mails und Dateien vorzulegen, nicht nachgekommen.

Van der Bellen sprach in einer Erklärung am Nachmittag von einem bisher einzigartigen Fall: „Ich wende mich heute an Sie, weil etwas eingetreten ist, was es in dieser Form in unserem Land noch nicht gegeben hat.“ Diese Situation möge für viele überraschend kommen - „nicht aber für unsere Bundesverfassung“. Diese gebe eine klare Handlungsanweisung vor.

Kurz nach der VfGH-Entscheidung teilte das Finanzministerium mit, nun doch die geforderten Daten zu übermitteln. „Die VfGH-Entscheidung ist zu akzeptieren und das Bundesministerium für Finanzen wird diesem selbstverständlich unverzüglich und vollumfänglich nachkommen“, hieß in einer schriftlichen Stellungnahme. Das Finanzministerium „hat bereits bisher über 20.000 elektronische Dokumente geliefert und wird noch heute die restlichen Unterlagen an die Parlamentsdirektion übermitteln.“

Blümel habe von Beginn an den Auftrag gegeben, „vollumfänglich mit dem U-Ausschuss zusammenzuarbeiten und die notwendigen Daten, die im Übrigen nicht die Amtszeit von Bundesminister Blümel betreffen, zur Verfügung zu stellen“, hieß es in der Stellungnahme. Das Finanzministerium habe jedoch „eine Fürsorgepflicht gegenüber den 12.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Daher muss die Wahrung von Daten- und Persönlichkeitsschutz gewährleistet werden, da es auch um höchstpersönliche Daten wie etwa Gesundheits- und Krankendaten geht.“

Blümel habe auch ihm persönlich versichert, die geforderten Unterlagen vorzulegen, betonte Van der Bellen. Wenn er vom Ausschuss die Information bekomme, dass diese vollständig geliefert worden seien, erübrige sich die Exekution. „Sollte das wider Erwarten nicht der Fall sein, werde ich meinen verfassungsmäßigen Pflichten entsprechen.“ Die Verfassung lege Demokratie und Rechtsstaat als tragende Säulen des Gemeinwesens fest. Sie schreibe die Gewaltenteilung fest und regle, wer im Staat wofür verantwortlich ist. „Sie regelt unser aller Zusammenleben. An diese Regeln haben wir alle uns zu halten.“

Beantragt hatte die Übermittlung der Daten die Oppositionsfraktionen SPÖ, FPÖ und NEOS. Der VfGH gab am 3. März ihrem Verlangen statt, dass Blümel die E-Mail-Postfächer der Leiterin des Beteiligungsmanagements im Finanzministerium sowie die Korrespondenzen von Ministeriumsmitarbeitern mit dem nunmehrigen ÖBAG-Chef Thomas Schmid, damals Generalsekretär im Finanzministerium, und anderen Mitarbeitern des damaligen Finanzministers Hartwig Löger (ÖVP) dem Ausschuss zur Verfügung zu stellen hat. Da Blümel dies aber bisher nicht erfüllte, beantragte die Opposition die Exekution dieser Entscheidung durch den Bundespräsidenten zu erwirken. Auch dem gab der VfGH nun statt.

Die Verfassungsrichter haben festgestellt, dass das Erkenntnis vom 3. März „eine Leistungspflicht enthält, die zwangsweise durchgesetzt werden kann“, hieß es in einer Aussendung am Donnerstag. Gemäß Verfassung (Art. 146 Abs. 2 B-VG) sei die Exekution „nach den Weisungen des Bundespräsidenten durch die nach seinem Ermessen beauftragten Organe des Bundes oder der Länder einschließlich des Bundesheeres durchzuführen“.

Solche Weisungen des Bundespräsidenten bedürfen keiner Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler, wenn sich die Exekution – wie hier – gegen ein Organ des Bundes richtet, merkte der VfGH an.

Einen weiterer Antrag der Opposition in dieser Causa hat der VfGH jedoch abgewiesen: Einsicht in die vom Finanzministerium dem VfGH vorgelegten Dateien sei nicht angebracht, weil „keine konkreten Rechtsschutzinteressen vorliegen“. Es sei keine Akteneinsicht zu gewähren, wenn deren Gewährung bereits den Streit darüber entscheiden würde, ob die Akten überhaupt dem Untersuchungsausschuss vorgelegt werden müssen, stellten die Verfassungsrichter fest.

Noch nicht entschieden hat der VfGH in Sachen Meinungsverschiedenheiten zwischen Opposition und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) über die Aktenvorlage im U-Ausschuss. SPÖ, FPÖ und NEOS haben mehrfach beklagt, kein einziges Mail und keinen einzigen Kalendereintrag des Kanzlers erhalten zu haben. Über ihre Anträge dazu werden die Beratungen kommende Woche fortgesetzt, teilte der VfGH am Donnerstag mit. Das Kanzleramt hat dem Gerichtshof in diesem Verfahren 692 Mails von Mitarbeitern übermittelt, wonach sie in einem „umfassenden Suchprozess“ keinerlei „abstrakt relevante Akten und Unterlagen“ gefunden haben.