EU-Gipfel sucht gemeinsame Haltung zu Impfstoff-Patenten

Die EU-Staats und Regierungschefs haben bei ihrem Gipfel in Portugal eine gemeinsame Haltung zum Vorschlag der USA gesucht, Patente für Corona-Impfstoffe vorläufig auszusetzen. Während Deutschland seine Skepsis bekräftigte, zeigten sich zahlreiche Gipfel-Teilnehmer offen für eine Diskussion. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warnte vor zu hohen Erwartungen an eine Aussetzung der Patente.

Dies werde „kurz- und mittelfristig (...) nicht die Probleme lösen“ und „keine einzige Impfdosis bringen“, sagte von der Leyen am Abend beim EU-Gipfel in Porto. Nötig sei vielmehr, dass Länder mit Impfstoffen diese teilten, der Export nicht beschränkt und in den Ausbau der Produktion investiert werde. Von der Leyen bekräftigte, sie sei „offen“ für eine Diskussion über den Vorschlag der USA, die Patente für Impfstoffe auszusetzen. Wenn diese aber geführt werde, müsse sie mit einer „eine 360-Grad-Sicht“ erfolgen und alle Aspekte berücksichtigen, „weil wir Impfstoffe für die gesamte Welt brauchen“.

Europa habe bereits damit begonnen, seine Impfstoff-Bestände zu teilen, betonte von der Leyen. Sie verwies auf eine Lieferung von 650.000 Dosen an die Westbalkan-Staaten. Darüber hinaus sei Europa „die einzige demokratische Region der Welt, die im großen Umfang exportiert“, sagte die Kommissionschefin. Rund die Hälfte aller in der EU hergestellten Impfstoffe würden ausgeführt. Sie forderte andere Länder auf, dem Beispiel zu folgen.

Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte zuvor die USA wegen ihres Exportverbots für Impfstoffe kritisiert. Er zeigte sich offen für eine Diskussion über den US-Vorschlag. Allerdings nütze die Freigabe nichts, wenn das Know-how, die Impfstoffe zu produzieren, nicht vorhanden sei, sagte Macron. „Schlüssel“, um die weltweite Knappheit bei Impfstoffen zu bekämpfen, sei deshalb „das Spenden von Dosen“.

„Wir sind bereit, das mit einem offenen Geist zu diskutieren“, erklärte Belgiens Regierungschef Alexander De Croo. Sein Land ist Sitz wichtiger Produktionsstätten für Corona-Impfstoffe und steht für rund 70 Prozent der EU-Exporte in diesem Bereich. Auch Spanien begrüßte den Vorschlag der USA, Patente auszusetzen. Dieser sei aber „unzureichend“, sagte Regierungschef Pedro Sanchez. „Wir müssen ehrgeiziger sein.“

Die Aussetzung von Impfstoff-Patenten dürfe auch „nicht die Vergütung für Innovation töten“, sagte Macron weiter. Er betonte dabei, er arbeite in der Frage der gerechten Impfstoffverteilung „vollkommen Hand in Hand“ mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die unter Verweis auf die Corona-Lage in Deutschland nur per Video-Schaltung an dem Gipfel teilnimmt.

Die deutsche Regierung bekräftigte am Freitag ihre Skepsis zu der Patentaussetzung. „Das Hauptthema ist nicht die Frage von Patenten, sondern von Produktionskapazitäten“, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn. Der dafür nötige Technologietransfer lasse sich leichter in einem kooperativen Ansatz bewerkstelligen. Der Gesundheitsminister verwies darauf, dass sich etwa die modernen mRNA-Impfstoffe wie der von Biontech/Pfizer „nicht einfach per Lizenz mal irgendwo produzieren“ ließen.

Die polnische Regierung äußerte sich indes positiv zur US-Initiative. Die reichsten Länder sollten die Patente allen zur Verfügung stellen, die den Impfstoff produzieren könnten, sagte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am Freitag vor Beginn des EU-Sozialgipfels in Portugal. „Das ist nötig, um die Epidemie auf der ganzen Welt zu eliminieren.“

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte sich bereits am Donnerstag offen für eine Debatte über den US-Vorstoß gezeigt. „Wir unterstützen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und sind offen für Gespräche sowie den WTO-Prozess, den die Amerikaner vorschlagen. Es ist wichtig, dass so viele Menschen wie möglich weltweit so rasch wie möglich geimpft werden, um die Pandemie zu besiegen“, heiß es am Donnerstag dazu aus dem Bundeskanzleramt. Auch Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) zeigte sich auch für „unkonventionelle Wege“ offen, um die weltweite Pandemie so rasch wie möglich einzudämmen.

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