EU-Gipfel verpflichtet sich auf konkrete Sozialziele
Wirtschaft ankurbeln, Jobs erhalten, Armut lindern: Beim Sozialgipfel in Portugal haben sich Vertreter der EU-Staaten, von Gewerkschaften und Arbeitgebern gemeinsam zu einem gerechten Aufschwung nach der Corona-Krise und zu einem sozialeren Europa bekannt. In einer Erklärung verpflichteten sie sich am Freitagabend auf konkrete Ziele, um die soziale Lage bis 2030 spürbar zu verbessern.
So soll bis zum Ende des Jahrzehnts eine Beschäftigungsquote von mindestens 78 Prozent in der EU erreicht werden. Mindestens 60 Prozent der Erwachsenen sollen jährlich Fortbildungskurse belegen und die Zahl der Menschen, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind, soll um mindestens 15 Millionen reduziert werden.
Eine so weitreichende Einigung der Staaten und der Sozialpartner sei beispiellos, sagte der portugiesische Ministerpräsident Antonio Costa. Er sprach von einem „historischen Moment“. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte, bei der Erholung von der Corona-Krise und dem digitalen und grünen Wandel der Wirtschaft gehe es nun um die Schaffung von guten, zukunftsfesten Jobs und um die nötigen Qualifikationen.
Die 750 Milliarden schweren EU-Aufbauhilfen würden dies unterstützen, betonte von der Leyen. Das Programm sei „größer als der Marshall-Plan“, doch müsse es nun rasch umgesetzt werden. Von der Leyen appellierte an alle EU-Staaten, den nötigen Haushaltsbeschluss noch im Mai zu ratifizieren. Dann könne die Kommission im Juni beginnen, die nötigen Darlehen an den Finanzmärkten aufzunehmen.
Die EU-Staaten hatten sich schon 2017 auf eine sogenannte Säule sozialer Rechte geeinigt. Das sind 20 Grundsätze unter anderem für Chancengleichheit im Beruf, faire Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen. Diese sozialen Rechte müssten Punkt für Punkt umgesetzt werden, sagte der deutsche Sozialminister Hubertus Heil, der die deutsche Kanzlerin Angela Merkel zum Auftakt des Treffens in Porto vertrat. „Das soziale Europa ist heute wichtiger denn je.“
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zeigte sich „extrem optimistisch“, dass wieder mehr Menschen in Österreich einen Arbeitsplatz finden. „Die Basis für einen starken Sozialstaat, für sichere Arbeitsplätze und einen erfolgreichen Standort ist der Sieg über die Pandemie“, sagte Kurz vor dem Gipfel. „Wir wollen bis in einem Jahr über 500.000 Menschen zurück in die Beschäftigung bringen.“
In Österreich seien bisher 2,5 Millionen Menschen geimpft, dies sei jeder Zweite, der eine Impfung möchte. Auch die Ansteckungszahlen „sind auf gutem Weg“ zur geplanter Öffnung in allen Bundesländern am 19. Mai, sagte Kurz. Grund für seinen Optimismus sei auch die sinkende Arbeitslosigkeit, diesbezüglich wollen wir das Tempo beschleunigen“, so Kurz. Der Kanzler pries einmal mehr den Grünen Pass , der „ein Turbo für Arbeit und Beschäftigung in Österreich sein kann“ und forderte eine rasche Umsetzung auf europäischer Ebene. Die geplante EU-Erklärung zur Sozialunion in Richtung höherer Sozialstandards in ganz Europa sehe man positiv.
„Es geht darum den Arbeitsmarkt insgesamt in Europa zu beleben, zukunftssichere Arbeitsplätze zu schaffen“, sagte Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP). „Entscheidend ist die Impfung“, betonte auch Kocher. Zur umstrittenen EU-Mindestlohnrichtlinie zeigten sich der Kanzler und der Arbeitsminister weiter kritisch. „Gut gemeint ist nicht immer gut“, so Kocher. Österreich sei sich mit anderen Ländern mit einer gut gewachsenen Sozialpartnerschaft einig, dass diese Autonomie zu sichern sei. Dies sei beim aktuellen Vorschlag noch nicht sicher.
„Wir haben derzeit sehr unterschiedliche Systeme in den Mitgliedstaaten, wir haben ganz unterschiedliche Lohnniveaus“, betonte auch Kurz. Insofern seien auch die Sozialstandards sehr unterschiedlich. „Wir haben natürlich ein Interesse an möglichst hohen Sozialstandards in ganz Europa. Wir wollen aber auf keinen Fall unsere Standards nach unten nivellieren.“ Dies gelte auch für die Höhe der Löhne, die höher als in vielen EU-Staaten seien. „Hier wollen wir keine Nivellierung nach unten“, so Kurz.
Der bis Samstag dauernde EU-Gipfel in Porto ist das erste physische Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs in diesem Jahr und der erste EU-Sozialgipfel seit dreieinhalb Jahren.