Ibiza-Ermittler kritisiert Leaks und Dienstaufsicht
Mit Oberstaatsanwalt Bernhard Weratschnig von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft als Auskunftsperson ist der WKStA-Tag im Ibiza-U-Ausschuss weitergegangen. Er schilderte, was seine Kollegen „leisten und ertragen“. „Korruptionsbekämpfung ist kein Spaziergang, sondern ein Marathon“, so Weratschnig. Er kritisierte, dass Zwangsmaßnahmen im Zuge der Ermittlungen verraten worden sein könnten und die Dienstaufsicht, die statt zu unterstützen Repressionen ausübe.
„Vieles was in den letzen zwei Jahren passiert ist, hätte ich nicht für möglich gehalten“, sagte der WKStA-Gruppenleiter im Ibiza-Komplex, der Teamleiter von insgesamt fünf Staatsanwälten ist. Allerdings sei kein Teammitglied alleine für die politisch heikle Thematik abgestellt. Jedenfalls würde bis spät abends und oft auch wochenends gearbeitet und die Kolleginnen und Kollegen seien auch im Urlaub erreichbar.
„Es gibt Indizien im Verfahren, dass Hausdurchsuchungen vorher verraten wurden“, sagte Weratschnig: „Umfangreiche Vorarbeiten werden damit zunichtegemacht. Aktenleaks erschweren die Arbeit. Veröffentlichungen sind nicht im Interesse der WKStA.“
Das Neueste, was er sich vor dem Ibiza-Verfahren nicht vorstellen habe können, waren die vorige Woche öffentlich gewordenen Chats. Diese legten „angeblich geplante Zwangsmaßnahmen über Mitarbeiter des Ibiza-Teams“ nahe. „Es hat mich als Gruppenleiter sehr betroffen gemacht, dass man so etwas in der Regierung sieht - ohne für mich nachvollziehbare gesetzliche Grundlage und ohne dass es Dienstverletzungen gab. Ich denke das gehört jedenfalls analysiert und aufgearbeitet.“
Auch die Fülle dienstaufsichtsbehördlicher Prüfungen sei immens. Vorm Ibiza-Verfahren habe er seit 2007 eine einzige solcher Prüfungen erlebt, im jetzigen Verfahren habe es eine „ungeahnte Fülle solcher Untersuchungen gegeben“, die er „für absolut unmöglich gehalten“ habe. „Ich hätte auch nicht für möglich gehalten, dass Fragen an die Dienstaufsicht - wir hatten sehr viele - nicht einmal beantwortet werden“, so Weratschnig. Die Dienstaufsicht solle eigentlich einen „unterstützenden Charakter“ haben. „Auch haben die Chats belegt, dass hier doch beträchtlicher Aufwand der Dienst- und Fachaufsicht betrieben wurde, uns das Leben schwer zu machen.“
„Und dann wurden vor einem Jahr Mails zwischen (dem derzeit suspendierten Justizsektionschef Christian, Anm.) Pilnacek und Oberstaatsanwalt Johann Fuchs öffentlich, in denen Fuchs Pilnacek eine negative PR-Strategie in Aussicht stellt.“ Zudem habe Fuchs die Dienst- und Fachaufsicht heranziehen sollen, um aufkeimende Probleme nachhaltig zu beseitigen. „Das ist Repression statt Unterstützung“, kritisierte Weratsching „all diese Punkte, die in dem Verfahren so gebündelt vorkommen, dass ich es bis zu diesem Zeitpunkt für unmöglich gehalten habe“.
Die Fachaufsicht sollte daher verlagert werden, weg von der Oberstaatsanwaltschaft Wien, forderte Weratschnig. Man orte eine Befangenheit, habe dies dem Justizministerium mitgeteilt. Zuständig sei er aber nicht für das Thema.
„Der öffentliche Druck ist sehr hoch, im Team wird jeder Schritt sehr sorgfältig überlegt - auch dahin gehend, wie Ressourcen gebunden werden. Wenn es einen Anfangsverdacht gibt, ist das Ermitteln ein Muss.“ Verfahrenseinstellungen oder Freisprüche seien keine Niederlagen für die Staatsanwaltschaft sondern in einem Rechtsstaat normal. Zudem gebe es Ligitation-PR gegen die WKStA und einzelne Kollegen würden angegriffen. Öffentlich behaupte niemand etwas anderes, als dass Korruption offensiv bekämpft werden müsse. „Wie man das ausgestaltet, darüber gehen die Meinungen aber deutlich auseinander“, sagte Weratschnig. Der Reifegrad eines Systems erschließe sich jedoch am deutlichsten daraus, ob auch höchste Amtsträger involviert seien.
Trotz aller Schwierigkeiten habe man in der Ibiza- und Casinos-Causa bisher aber „sehr gute Ermittlungen geführt und unzählige Stränge zu einem Abschluss gebracht“. Dass auch eine Debatte über die Justiz bzw. Ermittlungsbehörden entstanden sei, sei gut so - vor allem dass eine Entflechtung der Politik und der Weisungsspitze nun Thema sei. Offensive Korruptionsbekämpfung verlange zudem, dass Infos über bevorstehende Zwangsmaßnahmen nicht verraten würden. Das gehe nur wenn möglichst wenige informiert werden müssten. „Sonst sind die Verfahren gelaufen, bevor sie begonnen haben.“
Die Zusammenarbeit mit der SoKo Tape verlief zunächst gut, resümierte der Gruppenleiter, eingetrübt habe sie sich durch eine anonyme Anzeige, wonach Mitglieder der SoKo Mitglieder politischer Parteien seien. „Dem sind wir nachgegangen“, so Weratschnig, die SoKo habe aber keine Auskunft erteilen wollen. So habe man selbst per Google recherchiert und an die vorgesetzte Dienststelle berichtet. „Dann hat sich das Klima etwas getrübt.“
Zuvor, in der ersten Befragung des heutigen Tages, hatte sich der Konflikt zwischen der WKStA und der ÖVP fortgesetzt. Während WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda, die bereits zum zweiten Mal befragt wurde, die jüngste Kritik an einzelnen Staatsanwälten zurückwies und ein Ende der Angriffe verlangte, kündigte die ÖVP die Prüfung einer Anzeige gegen einen Vertreter der Anklagebehörde an.
Derzeit prüfe man „in enger Abstimmung mit Experten“ eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs gegen Oberstaatsanwalt Matthias Purkart, erklärte der türkise Fraktionsführer Andreas Hanger, der Purkart „politische Befangenheit“ vorwarf. Nach Hangers Dafürhalten habe dieser selektiv Chats in den Strafakt aufgenommen.
Vrabl-Sanda kritisierte ihrerseits Angriffe auf einzelne Staatsanwälte, die sich als Personen nicht mit adäquaten Mitteln wehren könnten. Wenn gegen bestimmte Personen ermittelt werde, gebe es aber „regelmäßig solche Vorwürfe - egal welche Qualifikation dem Kollegen bisher attestiert wurde. In der WKStA wissen wir: Es kann jeden treffen. Ich verstehe das als Versuch der Einschüchterung.“
Die Staatsanwaltschaft sei aber „gesetzlich verpflichtet, Anzeigen zu prüfen und darf dabei weder berücksichtigen, von wem sie kommen, noch gegen wen sie gerichtet sind“, so Vrabl-Sanda. „Sie darf bei dieser Prüfung auch nicht berücksichtigen, welche Auswirkungen ein mögliches Ermittlungsverfahren in der politischen Diskussion mit sich bringen könnte. Es entspricht nicht dem Gesetz, Anzeigen, deren weitere Verfolgung Aufregung erzeugen könnte, nicht weiter zu verfolgen. Auch die Motivlagen der Anzeiger spielen keine Rolle. Entscheidend ist allein der Inhalt“, erläuterte sie die Arbeit der Ermittler. Und die Aktenlieferung an den U-Ausschuss erfolge nach einem Kriterienkatalog des Justizministeriums. Letztlich entscheide die OStA darüber. „Ich erwarte mir, dass damit jetzt Schluss ist und der Blick in die Zukunft gerichtet werden kann“, sagte Vrabl-Sanda.