ÖVP-Match mit Staatsanwaltschaft prolongiert
Der Konflikt zwischen der WKStA und der ÖVP hat sich im Ibiza-U-Ausschuss fortgesetzt. WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda und -Gruppenleiter Bernhard Weratschnig wiesen Kritik an der Arbeit der Staatsanwaltschaft und einzelnen Staatsanwälten deutlich zurück. Vrabl-Sanda verlangte ein Ende der Angriffe. Die ÖVP prüft indes eine Anzeige gegen einen Anklagebehörde-Vertreter. Parteichef und Bundeskanzler Kurz wurde noch nicht von der WKStA einvernommen, so Weratschnig.
„Korruptionsbekämpfung ist kein Spaziergang, sondern ein Marathon“, sagte Weratschnig am Mittwoch. Er kritisierte, dass Zwangsmaßnahmen im Zuge der Ermittlungen verraten worden sein könnten und die Dienstaufsicht statt zu unterstützen Repressionen ausübe. Von seiner Behörde habe es bestimmt keine Leaks gegeben. Er zählte eine Reihe an Punkten auf, die er vor dem Ibiza-Verfahren „nicht für möglich gehalten“ hätte. Neben des möglichen Verrats von Hausdurchsuchungen seien das Repressalien durch die Dienstaufsicht, die seinem Wunsch nach von der Oberstaatsanwaltschaft Wien wegverlagert werden sollte.
Das Neueste, was sich Weratschnig vor dem Ibiza-Verfahren nicht vorstellen habe können, waren die vorige Woche öffentlich gewordenen Chats. Diese legten „angeblich geplante Zwangsmaßnahmen über Mitarbeiter des Ibiza-Teams“ nahe. „Es hat mich als Gruppenleiter sehr betroffen gemacht, dass man so etwas in der Regierung sieht - ohne für mich nachvollziehbare gesetzliche Grundlage und ohne dass es Dienstverletzungen gab. Ich denke das gehört jedenfalls analysiert und aufgearbeitet.“
Im Zuge der Befragung von Weratschnig wurde bekannt, dass Kanzler Kurz noch nicht von der WKStA einvernommen wurde. Laut Weratschnig ließ sich bisher „trotz mehrmaliger Versuche“ kein Termin mit Kurz finden, um ihn zur mutmaßlichen Falschaussage im U-Ausschuss zu befragen. Grund dafür sei, dass Kurz‘ Anwalt die Zuständigkeit der Korruptionsjäger verneine. Die WKStA sieht das - mit Blick auf die bisherige Entscheidungspraxis der Generalprokuratur - aber anders, sagte WKStA-Gruppenleiter Weratschnig. Schon die erste Befragte heute im U-Ausschuss, WKStA-Leiterin Vrabl-Sanda hatte auf eine eindeutige Entscheidung der Generalprokuratur verwiesen, wonach die WKStA sehr wohl zuständig sei. Mit der Befragung von Kurz als Zeugen in der Causa Blümel werde die „Faktenlage verbreitert“ um hernach „abschließende Fragen“ stellen zu können und mehrmalige Befragungen zu vermeiden, erläuterte Weratschnig.
Vrabl-Sanda kritisierte ihrerseits Angriffe auf einzelne Staatsanwälte, die sich als Personen nicht mit adäquaten Mitteln wehren könnten. Wenn gegen bestimmte Personen ermittelt werde, gebe es aber „regelmäßig solche Vorwürfe - egal welche Qualifikation dem Kollegen bisher attestiert wurde. In der WKStA wissen wir: Es kann jeden treffen. Ich verstehe das als Versuch der Einschüchterung.“ Die Staatsanwaltschaft sei aber „gesetzlich verpflichtet, Anzeigen zu prüfen und darf dabei weder berücksichtigen, von wem sie kommen, noch gegen wen sie gerichtet sind“, so Vrabl-Sanda. „Sie darf bei dieser Prüfung auch nicht berücksichtigen, welche Auswirkungen ein mögliches Ermittlungsverfahren in der politischen Diskussion mit sich bringen könnte.
In der Befragung beider WKStA-Vertreter zeigte sich der Konflikt zwischen der WKStA und der ÖVP. Derzeit prüfe man „in enger Abstimmung mit Experten“ eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs gegen Oberstaatsanwalt Matthias Purkart, erklärte der türkise Fraktionsführer Andreas Hanger, der Purkart „politische Befangenheit“ vorwarf. Nach Hangers Dafürhalten hat dieser selektiv Chats in den Strafakt aufgenommen. Oftmals kritisierten Vertreter der Volkspartei, dass „höchstprivate Chats“ öffentlich geworden seien. Dass diese nicht gelöscht würden sei grundsätzlich wichtig, um womöglich im Laufe eines Verfahrens Zusammenhänge zu erkennen, erklärte Weratschnig. Dies könne der Entlastung oder der Belastung dienen.
FPÖ-Politikerin Susanne Fürst hinterfragte, warum Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) wegen seines kooperativen Verhaltens vor der Hausdurchsuchung bei ihm seine Frau anrufen durfte. Die Staatsanwaltschaft gestattete dies, damit diese die Wohnung mit ihrem Kind verlassen konnte, „um dieses nicht zu traumatisieren“, berichtete Weratschnig. Die Freiheitliche wies darauf hin, dass ihr früherer Klubobmann Johann Gudenus seine Frau nicht im vorhinein informieren habe dürfen. Dabei sei diese hochschwanger und ebenso ein Kind bei ihr zuhause gewesen. Die Strafprozessordnung sehe „ein möglichst schonungsvolles Vorgehen“ vor, solches Vorgehen sei bei Anwesenheit von Kindern „nicht unüblich“, erläuterte Weratschnig. Wieso das bei Gudenus anders war, konnte er nicht beantworten, weil er damals Urlaub hatte.
Der vorerst fehlende Laptop von Blümel - der offenbar im Kinderwagen mit spazieren fuhr - sei von dessen Kabinettschef „verspätet“ zum Einsatzort gebracht worden. Bisher sei nicht festgestellt worden, dass Daten gelöscht worden, so Weratschnig. Final wollte er dies aber nicht beurteilen.
Die Befragung von Weratschnig dauerte gegen 19 Uhr noch an.