Peter Schröcksnadel tritt nach 31 Jahren von ÖSV-Bühne ab

Alpenkönig, Ski-Napoleon, Lift-Kaiser, Goldschmied, Selfmade- und Business-Mann. Und meist hemdsärmelig, jovial, aber immer geschäftstüchtig. Peter Schröcksnadel hat in 31 Jahren ÖSV-Präsidentschaft den Skisport wesentlich mitgeprägt. Wenige Wochen vor seinem 80. Geburtstag räumt der Tiroler die Bühne des heimischen Skiverbandes. Damit geht die Laufbahn eines der einflussreichsten und bemerkenswertesten Sportfunktionäre aller Zeiten in Österreich zu Ende.

Denn in die einzigartig erfolgreiche Schröcksnadel-Ära fielen alleine in olympischen Sportarten (ohne Paraski) 1.288 Weltcupsiege sowie 114 Olympia- und 295 WM-Medaillen. 29 der 30 zwischen 1989/90 und 2018/19 in Folge gewonnen Alpin-Nationencups sowie 24 Gesamtweltcupsiege wurden in der Epoche des Tirolers geholt. Insgesamt 19 Großveranstaltungen wurden ab 1990 unter dem Innsbrucker durchgeführt, darunter die drei Alpin-WM‘s in Saalbach (1991), St. Anton (2001) und Schladming (2013). Die nächste 2025 in Saalbach-Hinterglemm verfolgt Schröcksnadel als Zuschauer.

Er gehe ohne Wehmut, betont Schröcksnadel. „Ich übergebe einen sehr wertvollen Verband, der finanziell gut dasteht, organisatorisch super und sportlich sehr, sehr gut ist“, zeigte er sich am aktuellen APA-Interview von gelungener Arbeit überzeugt, ehe er in seiner letzten Amtshandlung am 19. Juni in Villach die Agenden an seinen Nachfolger Karl Schmidhofer übergibt.

Die Nominierung seines Nachfolgers hätte am Ende aber Schröcksnadels „Lebenswerk“ doch noch fast nachhaltig beschädigt, denn der Findungsprozess lief alles andere als rund und nicht wirklich nach den Vorstellungen Schröcksnadels. Dennoch versprach der Langzeit-Chef letztlich eine geordnete Übergabe sowie gute Zusammenarbeit in seiner Position als Vorstandsmitglied in der FIS. Er werde sich nicht einmischen, für Rat und Tat aber stets zur Stelle sein.

Der Tiroler war ein Wegbereiter. Denn als er 1990 mitten in den Erfolgsjahren einer Petra Kronberger (heute Frauen-Beauftragte im ÖSV) den Job, „den damals keiner haben wollte“, antrat, war der ÖSV ein Sportverein am Gängelband von Politik und Skiindustrie. Heute ist das in Innsbruck angesiedelte „Ski Austria“ ein erfolgreiches Millionenunternehmen samt Kapitalgesellschaften und ein Aushängeschild für Wintersport und Tourismus. Den Skisport unabhängig sowie frei von politischen Einflüssen zu halten, sei eines seiner Erfolgsrezepte gewesen, betont Schröcksnadel. Es ist etwas, was er auch seinem Nachfolger empfiehlt.

Der Grund, dass Schröcksnadel ein gutes Händchen für Geschäfte hat, dürfte in seiner Kindheit liegen. Schon mit 15 Jahren musste der am 30. Juli 1941 in Innsbruck geborene und dort aufgewachsene Tiroler für sich selbst aufkommen. Nach der HAK-Matura 1959 brach der damals in den Bergen mit Lawinensuche umtriebige 23-Jährige sein Jus-Studium ab, weil ihm ein Werbefachmann die Idee mit Skipistenmarkierungen samt Werbung schmackhaft gemacht hatte.

Daraus entstanden jene mittlerweile weltweit mit touristischen Informationssystemen tätigen Unternehmen Sitour und Feratel, die Schröcksnadel finanziell so unabhängig machten, dass er den ÖSV ehrenamtlich führen konnte. Skigebiete, Bergbahnen und Hotels im In- und Ausland zu kaufen und zu sanieren, ist ein weiteres Standbein des Tirolers. „Ich wollte nie reich werden, sondern nur nicht pleitegehen“, beschrieb er kürzlich seine Strategie sowohl für sich selbst als auch anfangs den Verband.

Sportlich ragten in seiner Ära wohl die Erfolge von Ausnahmeerscheinungen wie Felix Gottwald, Thomas Morgenstern, Gregor Schlierenzauer, Hermann Maier sowie zuletzt vor allem Marcel Hirscher aus der Athletenschar heraus. Selbst bekannte sich Schröcksnadel stets dazu, im Herzen ein „Alpiner“ zu sein.

Raue Zeiten begleiteten die Schröcksnadel-Ära aber ebenso. Die tödlichen Rennunfälle von Gernot Reinstadler (1991) oder Ulrike Maier (1994) hätten ihn fast zum Aufgeben gebracht. Insgesamt haben Krisen den hartnäckigen Tiroler aber eher zum Kämpfen motiviert. Etwa, wenn sich Athleten wie Andreas Goldberger, Anna Veith (Fenninger) oder zuletzt Katharina Liensberger abzusondern versuchten. Sie alle holte er wieder in den Verband zurück.

Hartnäckig war Schröcksnadel aber vor allem bei Krisen wie etwa den Mee too-Vorwürfen oder Dopingskandalen. Überführte Athleten verloren zwar blitzartig Schröcksnadels Vertrauen, in allen anderen Fällen kämpfte er aber bis zum Umfallen um das Image des Verbandes.

Am denkwürdigsten wohl 2006 bei und nach Olympia in Turin. „Wenn ich angefressen bin, dann bin ich am besten“, ärgerte er sich damals über eine seiner Meinung nach „getürkte Sache“. „Wäre ich nicht geblieben, wäre der damals größte Skandal in der Dopinggeschichte an Österreich picken geblieben“, ist Schröcksnadel auch heute noch überzeugt. Sein Spontan-Sager, wonach Österreich „zu klein für gutes Doping“ sei, ist legendär. Ebenso die etwas kuriose Gründung eines Europäischen Skiverbandes samt Hallen-EM 2009.

Es ist davon auszugehen, dass Schröcksnadels Nachfolger eine anderen Führungsstil pflegt als der oft verhaltensoriginelle Tiroler, der bis heute selbst begeisterter Skirennfahrer ist und wie einst Niki Lauda für Sportler und Journalisten stets am Handy erreichbar und zudem meist auch das Verbands-Sprachrohr war. Er sei aber kein Machtmensch, betonte er immer wieder. Vielmehr habe er stets versucht, Teil der Mannschaft zu sein.

Corona verlängerte Schröcksnadels Präsidentschaft um ein Jahr. Ein 80-jähriger Präsident wolle er aber auf keinen Fall sein, erklärte der 79-Jährige, warum er jetzt den richtigen Zeitpunkt für den Abschied gekommen sieht. Neben seinem FIS-Job wird sich der vielfache Großvater Schröcksnadel künftig vor allem einem vielversprechenden Krebsforschungsprojekt widmen. Seinem Nachfolger Schmidhofer empfiehlt er, den Verband möglichst frei von politischen Einflüssen zu halten. Denn: „Das ist die wichtigste Entscheidung im Sport.“

Obwohl nie um einen - oft auch sehr spontanen - Kommentar verlegen und ob seiner Sturheit oft auch Reibebaum für viele, bekommt Schröcksnadel am Ende rundum viel Lob. Er sei ein Riesen-Motivator für den Sport, den Verband und die Sportlerinnen gewesen, befindet etwa Sportdirektor Anton Giger. „Er war ein derartiger Visionär, dass wir alle oft erst ein, zwei Jahre später verstanden haben, wo er hinwollte.“ Skispringer Stefan Kraft vergab für Schröcksnadels Wirken fünf Mal die Bestnote Zwanzig.

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