Bilder in Bewegung: Serapionstheater zeigt „Koom Posh“
Erwin Piplits wurde am Ende auch auf die Bühne geholt und verbeugte sich im Kreise des großen Ensembles. Der Gründer des Serapionstheaters und langjährige Prinzipal des Wiener Odeon fungiert nur noch als Anreger der neuen Produktion „Koom Posh“. Die Inszenierung stammt vom künstlerischen Leiter Max Kaufmann, dem Sohn von Piplits und Ulrike Kaufmann, und Mario Mattiazzo. Dennoch war gestern nichts wesentlich Neues zu sehen: Bewegungs- und Bildertheater nach Art des Hauses.
Immer schon gab bereits die theoretische Grundlage eines Abends des Serapions Ensembles Rätsel auf und wirkten die faszinierenden Einführungstexte ziemlich komplex. Auch diesmal ist man sich zunächst nicht sicher, ob man den Quellenangaben trauen darf: „‘Koom Posh‘ orientiert sich vor allem an dem Drama von Lev Lunz ‚Die Stadt der Gerechtigkeit‘ und bezieht seinen Namen aus Edward Bulwer Lyttons ‚Das Kommende Geschlecht‘, das als zweite Inspirationsquelle auf dem Tisch lag.“ Doch Lunz (1901-1924) ist freilich als Gründungsmitglied der Serapionsbrüder von St. Petersburg prädestiniert als Ideengeber der Wiener Serapionten.
Die Umsetzung des Stücks über eine umherziehende wilde Schar von Revoltierenden, die in einer Stadt des Konformismus landen, ist dagegen verblüffend einfach gestrickt. Denn sie baut auf simplen Antagonismen auf. Auf einer Bühne, die mit etlichen bemalten Stoffbahnen eine Art Stadtlandschaft suggeriert, treffen zwei sehr unterschiedliche Gruppen aufeinander. Bunte, anarchische, fahnenschwingende, martialische Herumtreiber begegnen einer weißgesichtigen, sich sehr strukturiert bewegenden, uniformen Schar von Schachtelträgern. Sie klammern sich an ihre kleinen Objekte wie Fetische. Auch die ganz speziellen Eintrittskarten erinnern daran - doch diese kleinen, gefalteten Kartonschachteln verzaubern ebenso wenig wie das 90-minütige Geschehen auf der Bühne.
Dort erlebt man zu beliebig wirkender Musik in immer neuen Bewegungsabläufen, die man aus der Geschichte des Serapions Ensembles zur Genüge kennt, die Konfrontation der beiden Gruppen und ihre vorsichtige, langsame Annäherung. Es bilden sich Paare und entstehen intime Momente. Doch dann geraten beide Gruppen ganz buchstäblich auf die schiefe Bahn. Auf einer nach allen Richtungen kippbaren Spielebene werden Kämpfe ausgetragen, die Opfer fordern, aber keine wesentlichen Erkenntnisse bringen. Außer: Es gibt keinen dauerhaften Sieger.
Die Produktion hätte ursprünglich bereits im April 2020 gezeigt werden sollen und wurde im langen Lockdown in mehreren, insgesamt fünfmonatigen Probephasen weiterentwickelt, heißt es. Lange dauerte es auch am Donnerstag, bis die Premiere tatsächlich startete. Als dann mit geschlagenen 55 Minuten Verspätung die Vorstellung begann, gab es kein Wort der Entschuldigung gegenüber dem Publikum, das nicht nur geduldig ausgeharrt hatte, dem auch das coronakompatible Warten nicht gerade leicht gemacht wurde. Ein Preis für das beste Anti-Corona-Konzept wird wohl nicht an das Serapionstheater gehen.
)