G7 wollen ärmeren Ländern mit Milliarde Impfdosen helfen

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie will die G7-Gruppe westlicher Wirtschaftsmächte ärmeren Staaten mit einer Milliarde Impfdosen helfen. Die bis nächstes Jahr geplante Unterstützung solle durch Verteilung sowie durch Finanzierung von Impfstoff möglich werden, teilte die britische Regierung vor Beginn des G7-Gipfels im südwestenglischen Cornwall am Freitag mit. Die Staats- und Regierungschefs wollen demnach auch einen Plan ausarbeiten, um die Impfstoffproduktion auszuweiten.

Erstmals seit zwei Jahren kommen die Staats- und Regierungschefs der wirtschaftsstarken Demokratien von Freitag bis Sonntag wieder persönlich zusammen - wenn auch wegen Covid-19 unter strengen Vorsichtsmaßnahmen. Im Mittelpunkt stehen der Kampf gegen die Pandemie, der Klimaschutz, Maßnahmen zur Ankurbelung der Weltkonjunktur sowie der Umgang mit China und Russland.

Zur Gruppe der Sieben (G7) gehören die USA, Deutschland, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan. Auch die EU nimmt an ihren Treffen teil. Gastgeber des Treffens ist in diesem Jahr der britische Premierminister Boris Johnson. Für US-Präsident Joe Biden ist es der erste große Gipfel und die erste Auslandsreise seit Amtsantritt.

Entwicklungsorganisationen kritisierten die G7-Pläne für eine Milliarde Impfdosen an ärmere Länder als unzureichend. Gefordert wurde vielmehr eine Aufhebung des Patentschutzes für Impfstoffe, die Weitergabe von Technologie zur Impfstoffproduktion und Investitionen in regionale Produktion weltweit. „Wohltätigkeitsaktionen“ könnten die Krise der weltweiten Impfstoffversorgung nicht beheben.

„Eine sofortige Weitergabe von Impfdosen ist momentan dringend erforderlich und die Milliarde Impfdosen sind daher willkommen“, sagte Jörn Kalinski von Oxfam. Aber wenn das alles sei, „muss dies als Fehlschlag gewertet werden“. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) halte elf Milliarden Impfdosen für nötig - oder zumindest acht Milliarden, um für eine Herdenimmunität 80 Prozent der Bevölkerung in Ländern mit geringem oder mittleren Einkommen zu impfen.

Die Organisationen Oxfam, World Vision oder One forderten die deutsche Kanzlerin Angela Merkel auf, dem Beispiel von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, US-Präsident Biden sowie Indiens und Südafrikas zu folgen und ihre Unterstützung für eine befristete Freigabe der Patente zu erklären. Merkel und die EU-Kommission sprachen sich aber erneut dagegen aus, weil es aus ihrer Sicht die Probleme nicht löse.

Für Merkel ist es hingegen sinnvoll, weiterzugeben, was überzählig sei. Angesichts nicht völlig klarer Liefermengen für Juli, August und September könne sie nun aber keine Verpflichtung für noch nicht gelieferte Mengen eingehen, sagte Merkel am Donnerstag in Berlin. Sie müsse „schon auch darauf achten, dass wir unseren Bürgerinnen und Bürgern jetzt ein Impfangebot machen, so wie die Vereinigten Staaten von Amerika das selbstverständlich ihren Bürgern auch gemacht haben“.

Merkel nannte es erfreulich, dass die US-Regierung vor dem G7-Gipfel im englischen Cornwall eine Spende von 500 Millionen Impfdosen an Dutzende arme Länder der Welt sowie die Afrikanische Union angekündigt hat. Sie verwies zugleich auf den Beitrag der Europäischen Union für die globale Versorgung mit der Ausfuhr von schon mehr als 200 Millionen Dosen. Deutschland stelle rund eine Milliarde Euro für das internationale Programm Covax bereit, was Geld für den Kauf von etwa 200 Millionen Impfdosen entspreche. Merkel verwies zudem auf die Zusage, dass Deutschland bis Jahresende 30 Millionen Dosen zur Verfügung stellen wolle.

Die US-Spende soll bis spätestens Juni nächsten Jahres geliefert und mit Hilfe der internationalen Impfstoffinitiative Covax verteilt werden. „Unsere Impfstoffspenden beinhalten keinen Druck für Gefälligkeiten oder mögliche Zugeständnisse. Wir tun das, um Leben zu retten, um diese Pandemie zu beenden“, betonte Biden.

Für Großbritannien kündigte Gastgeber Johnson an, 100 Millionen Impfdosen aus seinem Überschuss beisteuern zu wollen, den Großteil über die Impfstoffinitiative Covax. Großbritannien hatte sich derart mit Impfstoff eingedeckt, dass es seine Bevölkerung damit mehrfach durchimpfen könnte. Bisher hat das Land kaum Impfstoffe exportiert - das rief scharfe Kritik hervor. Der für die britische Impfkampagne zuständige Staatssekretär Nadhim Zahawi betonte am Freitag, dass die Impfung der eigenen Bevölkerung weiterhin Priorität habe.

Die Co-Vorsitzende des Covax-Programms, mit dem ärmeren Ländern Zugang zu Corona-Impfstoffen ermöglicht werden soll, äußerte sich unterdessen hoffnungsvoll zu den Gesprächen beim G7-Gipfel in Cornwall. Sie sei „erfreut und aufgeregt“ sagte Jane Halton dem britischen Radiosender „Times Radio“ am Freitag und fügte hinzu: „Lassen Sie uns annehmen, wir kommen auf eine Milliarde bis zum Schluss, das wäre außerordentlich willkommen.“

Insgesamt seien jedoch 11 bis 12 Milliarden Dosen notwendig, um die gesamte Weltbevölkerung zu schützen, mahnte Halton. Bisher seien weltweit etwa 2,2 Milliarden verabreicht worden und das zu mehr als drei Vierteln in nur zehn Ländern. „Ich denke, man muss nicht besonders kreativ sein, um herauszufinden, dass das die reichsten Länder der Welt sind“, so Halton weiter.

Auch die Sprecherin der Weltgesundheitsorganisation WHO, Margaret Harris, begrüßte den Vorstoß der G7-Länder. „Es ist sehr ermutigend, zu sehen, dass Länder, die Zugang zu einer großen Zahl an Impfstoff haben, unserem Aufruf folgen, Dosen zu teilen. Sie forderte bis September dieses Jahres müssten bereits 250 Millionen Dosen für Risikogruppen überall in der Welt zu Verfügung gestellt werden.

Eine Gruppe globaler Investoren forderte unterdessen vor dem G7-Gipfel Regierungen weltweit auf, dringend energischere Schritte beim Klimaschutz zu unternehmen. 457 Investoren veröffentlichten am Freitag einen Appell an alle Länder, ihre nationalen Pläne zum Klimaschutz deutlich auszubauen, um die Erderwärmung wie im Pariser Klimaabkommen angestrebt auch tatsächlich auf 1,5 Grad zu begrenzen.

„In dieser globalen Krise tragen Investoren und Regierungen jeweils Verantwortung, schnell und mutig zu handeln“, heißt es in dem offenen Brief der Investoren, die weltweit rund 41 Billionen US-Dollar an Anlagevermögen repräsentieren. Sie beklagen, dass ihre Fähigkeit, die für den Übergang zur Klimaneutralität erforderlichen Billionen bereitzustellen, durch die Kluft zwischen den bisher vorliegenden Zusagen der Regierungen und den eigentlichen Anforderungen für den Klimaschutz behindert würden.

Die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens schaffe bedeutende Möglichkeiten für Investitionen in saubere Technologie, grüne Infrastruktur und andere Produkte und Dienste, die gebraucht würden. Energische Politik in Übereinstimmung mit der Begrenzung der Erderwärmung auf weniger als 1,5 Grad könne den Fluss privaten Kapitals beschleunigen und erhöhen, heißt es in dem Brief.